Buehne frei Prinzessin
unserer Kreativität zu ersticken! Bloß weil sie subjektiv der Meinung sind, wir würden die Leser unserer Aufsätze plump unterhalten, statt zum Nachdenken anzuregen. Sind das wirklich die Leute, von denen wir unseren jungen Geist formen lassen möchten?«
»Nein!«, schrie eines der Zimmermädchen.
»Nö, das ist echt krass unkorrekt!«, rief der Chauffeur.
»Ah.« Diese positive Reaktion ermutigte mich. »Und dann, äh... also die Überwachungskameras draußen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das eine sinnvolle Sicherheitsmaßnahme sein kann, aber wenn sie missbraucht werden, um...«
»Amelia!«, schimpfte Grandmère. »Ellbogen runter!«
Ich nahm die Ellbogen vom Pult. »Also, wenn sie von der Schulleitung missbraucht werden, um die Schüler auszuspionieren, was ist dann?« Allmählich kam ich richtig in Fahrt. »Was ist, wenn der Speicher voll ist? Wird er gelöscht, oder werden die Daten irgendwo aufgehoben, um irgendwann womöglich gegen einen Schüler verwendet zu werden? Zum Beispiel wenn einer von uns als Richter an den
obersten Gerichtshof berufen wird... könnte es dann passieren, dass den Medien, um seinen Ruf zu beschädigen, eine Aufnahme zugespielt wird, auf der zu sehen ist, wie der Betreffende als Schüler den Steinlöwen Joe mit Luftschlangenspray dekoriert?«
»Füße runter!«, keifte Grandmère, weil ich mir erlaubt hatte, mich auf dem kleinen Bord unten im Rednerpult abzustützen, das wahrscheinlich zum Abstellen der Handtasche gedacht ist.
»Und dann dieses Verbot, dass Schülerinnen keine Shorts ihrer Freunde unter dem Rock anziehen dürfen«, rief ich und muss zugeben, dass ich mich allmählich selbst ziemlich gut fand. Die Zimmermädchen vom Plaza Hotel hingen richtiggehend an meinen Lippen. Eine von ihnen klatschte sogar, als ich das mit den Überwachungskameras sagte. »Ich halte diese Mode zwar selbst für total sexistisch, muss aber trotzdem fragen, was es denn die Schulleitung bitte zu interessieren hat, was unter den Röcken der Schülerinnen vorgeht? Nichts! Ich sage: Was ich unter meinem Rock anhabe, geht nur MICH etwas an!«
Boah! Der letzte Satz brachte mir stehende Ovationen von den Zimmermädchen ein. Sie sprangen auf und jubelten mir zu, als wäre ich... keine Ahnung... J. Lo oder so jemand!
Ich hab selbst nicht gewusst, dass ich eine so brillante Rednerin bin. Im Ernst. Die Parkuhrenrede war dagegen nur eine kleine Fingerübung.
Aber Grandmère war nicht so beeindruckt wie die anderen.
»Amelia.« Sie atmete eine grau-violette Rauchwolke aus.
»Prinzessinnen schlagen nicht mit der Faust aufs Pult, wenn sie ihren Sätzen Nachdruck verleihen wollen.«
»Tut mir Leid, Grandmère«, sagte ich.
Dabei tat es mir gar nicht Leid. Um ehrlich zu sein, hab ich richtig Blut geleckt. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir so viel Spaß machen würde, vor einem Saal – na ja, einer Sitzreihe- voll Zimmermädchen zu sprechen. Bei meiner Parkuhrenrede
im genovesischen Parlament hat mir ja kaum jemand richtig zugehört.
Aber vorhin im Hotel diese Frauen, die haben mir quasi aus der Hand gefressen. Echt wahr.
Wobei es etwas anderes wäre, wenn ich wirklich vor Gleichaltrigen sprechen müsste. Also, wenn mir Lana und Trisha und all die anderen gegenübersitzen würden, das wäre wahrscheinlich schon was anderes.
Dann müsste ich vielleicht vor lauter Lampenfieber kotzen.
Aber darüber mach ich mir jetzt keine Sorgen, weil es ja nie so weit kommen wird. Keiner verlangt von mir, gegen Lana in einem Rededuell anzutreten. Davon hat nie jemand was gesagt. Und selbst wenn es ein Duell geben sollte, müsste ich da nicht reden.
Lilly hat es ja gesagt. Sie hat einen Plan.
Was auch immer das bedeuten mag.
Mittwoch, 2. September, zu Hause im Loft
Als ich vorhin nach Hause kam, bin ich mal wieder mitten ins Chaos gestolpert. Weil Mom und Mr G am Wochenende ja nach Indiana fliegen, hat Mom ihre Frauen-Pokerrunde von Samstag auf heute Abend verlegt, und in der Küche saßen ihre feministischen Künstlerinnenfreundinnen alle um den Küchentisch versammelt und futterten Chinapfanne mit Hühnchen und Pilzen.
Sie lachten und kreischten total laut rum. So laut, dass Fat Louie nicht kam, als ich ihn rief. Noch nicht mal, als ich seine Tüte mit den Iams-Lights schüttelte. Keine Chance. Einen Moment lang hab ich echt befürchtet, er könne das Durcheinander beim Eintreffen der ganzen Feministinnen zur Flucht genutzt haben. Er ist nämlich nicht so glücklich darüber, sein Territorium
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