buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
sage ich.
„Ja, die letzten Meter waren reine Quälerei“, erwidert sie. Sie spricht mit Akzent, ich frage nach, woher sie kommt.
„ Aus Holland, Rotterdam, um genau zu sein. Ich heiße Anna und du?“
„Ich bin Simon aus Deutschland, wohne in der Nähe von Bremen.“
Im weiteren Gespräch erfahre ich, dass sie in einem großen deutschen Konzern als Entwicklungs-Managerin arbeitet und zuständig ist für Europa und Süd-Amerika . Anna ist attraktiv! Sie ist schlank, groß und hat schulterlange, schwarze Haare, die unter einem roten Kopftuch stecken. Sie beeindruckt mich mit ihrer gewinnenden Art. Was mir besonders auffällt, ist ihr Mienenspiel, mit dem sie oft Emotionen einer Aussage unterstreicht. Eine überraschende Wendung im Gespräch quittiert sie z. B. kurz mit deutlich hochgezogenen Augenbrauen und einen angedeutetem „Oh“, gefolgt von einem Lächeln. Das hat was!
Recht bald verständigen wir uns auf englische Konversation, weil ihr diese Sprache besser liegt. Sie ist, wie sich herausstellt (zumindest aus deutscher Sicht), der typische Kandidat für den Camino. Sie outet sich als Workaholic, wie er im Buche steht, hat eine Belastungskrise hinter sich. Sie zweifelt, ob das, was sie beruflich tut, für immer das Richtige ist. Sie erzählt das mit einer Selbstverständlichkeit und ohne zu klagen, als ginge es nicht um sie, sondern um irgendwen drei Tische weiter.
Ich höre überwiegend zu und muss mich erst einmal wieder an englische Konversation gewöhnen. Außerdem habe aktuell nicht das Gefühl, zu dem Thema etwas beisteuern zu können. Das mit dem Englisch gibt sich in den nächsten Tagen schnell, es ist quasi die Amtssprache auf dem Camino.
Anna ist die erste Pilgerin, die ich kennenlerne; wir werden schlussendlich sogar zusammen wieder zurück nach SJPDP fahren.
Kurz nach ihr erscheint Thomas, der sich gleich zu uns an den Tisch gesellt. Thomas kennt Anna schon von der Anreise mit dem Zug. In Abwesenheit von Anna (sie muss gerade mal in die Herberge zum Einchecken) erklärt mir Thomas, warum ihr Rucksack so schwer ist. Standesgemäß hat sie sich Literatur und, für eine Frau nicht unüblich, Zeitschriften eingepackt. Tja, Jesus hatte ein Kreuz, Anna hat Literatur, die sie im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie zwingt. Gegen die Knieschmerzen nimmt sie schon Ibuprofen und Salben in großen Mengen. Gelächter!
Anna kehrt zurück, mit der Botschaft, sie habe einen Platz in einem Zelt zugewiesen bekommen. Nicht das, was sie wollte, aber sie nimmt es locker. Man müsse auf diesem Weg lernen, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie kommen!
Zeit für mich , aufzubrechen. Es ist schon sehr windig auf der Terrasse und wird kälter. Ich wünsche meinen neuen Bekannten einen „buen camino". „Ich hoffe, dass ich euch morgen wiedersehe!“
In der Herberge bestell e ich mir ein Taxi und fahre zurück nach SJPDP zu meinem Hotel. Die Straße hinunter ist leer, die Stadt aber noch voll. Nach dem Duschen und Umziehen will ich mir noch die Stadt SJPDP ansehen. Im Badezimmer stelle ich fest, dass ich eine Toilette wie im Flugzeug habe. Also so ein Ding mit Unterdruck. Reingemacht, abgezogen, und du bist taub. „Fliegerspülung“ halt! Alle Nachbarn haben natürlich auch so ein Ding. Hatte ich erwähnt, dass ich geräuschempfindlich bin?
Egal, raus , Stadt ansehen, nett! Mit dem Gucken ist man schnell fertig. Saint Jean ist deutlich kleiner, als ich dachte, keine 1.500 Einwohner. Die Altstadt wird von einer gut erhaltenen Stadtmauer umgeben, die Häuser innerhalb der Mauer stammen teilweise noch aus dem 16. Jahrhundert. Mein Rundgang endet in dem Restaurant von heute Nachmittag; wieder bestelle ich mir eine Pizza. Diesmal mit Wein. Lecker!
Zum Abschluss noch ein Bier vorm Hotel, ½ Liter natürlich und rauchen, klasse Tag ! Nur das vom Personal angelieferte Bier erweist sich als kaum verträglich. Es handelt sich um ein lokales Bier, welches trübe im Glas vor sich hin blubbert. Im Glas sind mehr Wolken zu erkennen, als am Himmel ziehen. Den Vorsatz, dass ich trinke, was ich bezahlt habe, überdenke ich am nächsten Tag.
Übrigens, die Stadtväter von Saint Jean Pied de Port sollten mal über einen neuen Namen ihrer Stadt sinnieren. In den ersten Stunden und Tagen auf dem Camino wissen weder ich noch viele andere Pilger, wie der Name richtig ausgesprochen wird. Von „SeintJoh“ über „SantJiiin“ bis zum Sächsischen „SöTschööö“ ist alles dabei. Ich würde den Ort „Start“ nennen. Ist
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