buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
Gefühl auf, sich in einer Gemeinschaft zu bewegen. Das Gefühl einer Zugehörigkeit. Man wird lockerer und kommt schneller ins Gespräch. Manchmal sind es Banalitäten, manchmal ernsthaftere Diskussionen. Nach einem längeren Gang mit einem Schweizer laufe ich jetzt dem deutschen Paar in den 60ern hinterher, die ich gestern schon auf dem Balkon in Orrison beobachtet habe.
Sie ist klein und zierlich, mit einer Figur, die eher zu einer jüngeren Frau als zu ihrer Altersgruppe passt. Er hat eine kräftige Statur und heißt Günther. Beide sind Sozialarbeiter; er steht kurz vor der Rente und hat sich die letzten Wochen Urlaub genommen, weil er so schnell wie möglich auf den Camino wollte. Es war schon immer sein Traum, den Jakobsweg zu gehen, aber mangels Zeit war es nie möglich.
Die Zierliche berichtet von dem letzten Abend in der Herberge in Orrison. „Ein herrlicher Abend!“, seufzt sie, „nach dem Abendessen wurde der Raum nur noch von Kerzen erhellt. Der Wein wurde verteilt ... “, ich lerne, dass Wein eine wichtiger Teil des Caminos ist. „... und dann wurden alle nacheinander aufgefordert, zu erzählen, warum sie den Camino gehen.“
Günther erklärte, dass er schnellstens loswollte, bevor es die Gesundheit nicht mehr zulasse. Er gestand, froh zu sein, dass seine geliebte Frau ihn begleitet.
Sie outet sich, dass sie nur mitgegangen sei, weil sie ihn noch immer liebe und er sie darum gebeten habe. Spaß mache es ihr jetzt aber auch. Ich weiß nicht, ob mir so ein gemeinschaftliches „comming out“ gefallen hätte.
Auch Anna erzählt mir später von dem Abend. Sie hat der Zierlichen nach der Vorstellungsrunde gesagt, dass sie es rührend fände, wie die beiden so in der Öffentlichkeit gegenseitig ihre Liebe bekundet haben. Dass Günther sie liebt, habe die Zierliche mit einem Augenzwinkern relativiert: „Günther liebt alle Frauen, das schließt mich natürlich mit ein.“
Glücklich über meine mitgebrachten Power riegel, mache ich kurz Pause. Muss ich auch, ich werde schon zitterig. Ich lerne hier auf 1.400m Höhe, dass man sich auf so langen Strecken mehr zum Essen einstecken sollte. Oder man muss sich auch an einem Bulli anstellen, selbst wenn der im Orkan steht.
Die Grenze ist überquert, am Rolands-Brunnen habe ich Wasser gefasst, der Wind hat nachgelassen, die Sonne scheint, es ist wärmer geworden. Es gibt einen tollen Blick auf die bewaldete spanische Seite der Pyrenäen.
Schon befinde ich mich am Bergkamm, ab da geht es nur noch bergab. Hier empfiehlt der Reiseführer, die längere Strecke rechts zu wählen und der befestigten Straße zu folgen. Der kurze Weg geht steil und holperig durch einen Wald; ich habe nicht vor, mir meine Knie zu ruinieren.
Wie ich da so stehe , um mich zu orientieren, läuft eine junge Frau mit einem Typen vorbei. Schon von Weitem höre ich ihr deutsches Plappern, bald steht sie mit einem „buen camino“ vor mir. Sie blättert, wie ich, im Reiseführer.
Der Typ läuft einfach grußlos weiter. Sieht wohl so aus, als würde die Kleine jetzt mit mir losziehen. Die Kleine ist Anfang 20, schlank, hat ein kleines Pickelproblem, unter ihrem bunten Kopftuch scheinen dünne, blonde Haare hervor. Sie ist insgesamt nett anzusehen und sehr kontaktfreudig!
Auch sie will den langen Weg gehen, also laufen wir zusammen los, aber tatsächlich nur wir beide. Alle anderen wollen durch den Wald. Es wird einige Pilger geben, die das am nächsten Tag bereuen.
So wandern wir zusammen die Teerstraße nach Roncesvalles hinunter. Schon nach kurzer Zeit ist im noch fernen Tal, zwischen Bäumen versteckt, das Kloster zu erkennen.
Die Kleine ist Studentin der Soziologie und macht gerade irgendwas Betreuendes in einer JVA. In den nächsten sechs Wochen will sie es bis nach Compostela schaffen. Im Grunde ist sie sehr nett, erweckt aber im Gespräch den Eindruck, als hätte sie die Reife einer Jugendlichen. Immer, wenn jemand vorbeikommt, meistens Radfahrer, brüllt sie ihren „BUEN CAMINOOOO“ oder „HOLAAAAA“ oder am besten beides. Das hört der Empfänger der Botschaft, ich höre es und das restliche Tal wohl auch. Vögel erheben sich, Tiere flüchten. Ich muss jedes Mal in mich hineinlachen. Ihr „buen caminoooo“ wird später zum „Running Gag“.
Von der Teerstraße biegen wir ab, immer den Camino -Zeichen folgend. Kurz vor einem Wald, in dem es schon recht dunkel wird, muss sie ihre Schuhe neu schnüren. Das braucht Zeit. Ich nutze diese, um schon mal in den Wald
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