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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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ökonomischer Entschädigung.
     In dieser Umwertung sind es die abstoßenden Arbeiten, an die sich materielle Gratifikationen knüpfen. Babeuf führte einen
     unerbittlichen Kampf gegen eine Verteilungsweise, die dem Glück der Arbeit noch Prämien hinterherwarf; Victor Considerant
     unterschied zwischen notwendigen, nützlichen und angenehmen Arbeiten und forderte, letztere erheblich geringer zu entlohnen
     als die beiden ersten. Louis Blanc verfocht dieselbe Absicht, als er den Grundsatz aufstellte, daß die Ungleichheit der Fähigkeiten
     nicht zur Ungleichheit der Rechte, sondern nur zur Ungleichheit der Pflichten führen dürfe – die Leichtigkeit des Seins wird
     sozial auskunfts-, ausgleichspflichtig. 22 Dem wortführenden Diskurs unserer Tage ist dieser Pflichtgedanke weithin fremd, ein Ärgernis, ein klassenkämpferisches Relikt. 23
    5. Auch wer Befreiung in der Arbeit generell für eine Illusion hält, kann unversehens in sozialistisches Fahrwasser geraten.
     So wie Georg Simmel, der in seiner »Philosophie des Geldes« den Anspruch des arbeitenden Menschen auf Entgelt direkt vom natürlichen
     Widerwillen gegen Arbeit ableitete. »Die Arbeit ist eben Mühe, Last, Schwierigkeit; so daß, wo sie das nicht ist, betont zu
     werden pflegt, daß sie eben keine eigentliche Arbeit ist.« Leistete der Mensch |36| seine Arbeit wie die Blume ihr Blühen, würde sich kein entgeltbarer Wert mit ihr verknüpfen; Unlust und Opfergefühl allein
     begründen die Forderung einer Kompensation. 24 Die Aussicht auf den Lohn löst den Widerstand des Willens auf, macht Arbeit flüssig und verfügbar, die ansonsten in Reserve
     bliebe, ungetan. In seinem Eifer, Marx’ Arbeitswerttheorie zu widerlegen, darzutun, daß letztlich etwas Geistiges, der Wille,
     alle Werte schafft, gelangt Simmel bis dicht an den Rand von Schlußfolgerungen, die er weder akzeptiert noch gezogen zu sehen
     wünscht. Je mehr das Tagwerk eines Menschen zu Arbeit in seinem Sinne wird, Mühe, Last und Schwierigkeit, desto mächtiger
     erhebt sich der Widerwille gegen solches Tun, desto verlockenderer Versprechen bedarf es, um ihn zu brechen. Die materielle
     Stimulanz des Willens erzwingt, zu Ende gedacht, die Revision, den Umsturz jeder Verteilungsordnung, die umgekehrt verfährt
     und jene am reichlichsten bedenkt, die in ihrem Beruf die größte Befriedigung erfahren.
    6. Simmels unfreiwillige sozialistische Verirrung erhellt den Grundirrtum auch des authentischen Sozialismus seiner Zeit.
     In einer Marktökonomie ist es die relative Knappheit einzelner Arbeitsvermögen, die deren Träger kostbar macht, nicht Widerstand
     und Widerwille. 25 Gesetzt, ich bin ein proletarisierter Arbeiter, verfüge über Körperkraft, auch allgemeine Geistesgegenwart, darüber hinaus
     aber über keinerlei spezielle Fähigkeiten, so werde ich mich in diese Grundvermögen mit zahllosen anderen teilen, in hohem
     Maße ersetzbar sein, entbehrlich. Je geringer der »Grenznutzen« gerade meiner Arbeit für die Produktion einer zusätzlichen
     Einheit des gesellschaftlichen Reichtums zu je gegebenen Bedingungen ist, desto überflüssiger ist mein Angebot, desto geringere
     Forderungen kann ich erheben, desto bescheidener, williger, widerstandsloser muß ich mich fremden Konditionen fügen, um überhaupt
     Arbeit zu erhalten, und ist mir das gelungen, muß ich länger als andere in ihr verweilen, damit der kärgliche Stundenlohn
     sich zu |37| einem gerade noch lebbaren Leben summiert. Was mich zum Arbeiten bestimmt, gefügig macht, ist nicht der (Hunger-)Lohn; es
     ist der Hunger selbst. Erst oberhalb der Proletarisierungsschwelle, der einfachen Arbeiten ohne weitere Eigenschaften, beginnt
     das Wechselspiel von Knappheiten und Stimulanzen. Für jene, die nicht warten können, weil sie über EIGENTÜMLICH verwertbare
     Fähigkeiten nicht verfügen, bedeuten Widerstand, Zurückhaltung und Zögern Wahlchancen ohne Wahl, tödlichen Übermut.
    Eine postkapitalistische Gesellschaft würde mit der Gleichsetzung von »eigentümlich« und »verwertbar« brechen, Zeit, Besinnung,
     Wartenkönnen zu Menschenrechten küren, freilich unter der Voraussetzung, daß die Zeit gefüllt wird, die Besinnung zur tätigen
     Versammlung führt, der Wartestand nicht ewig währt. Prämien für den Leerlauf, fürs Steckenbleiben und Versanden würden nicht
     gezahlt. Vermögen, Tatkraft, Talent, aparte, selbst exzentrische Bestrebungen stünden, gerade weil vom ökonomischen Kurswert
     abgelöst,

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