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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hardy Pundt
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in die Tat umsetzte. Es waren keine zehn Minuten zu Wientjes’ Haus. Er versuchte, durch die Hecke zu lugen, die das Haus von dem dahinter verlaufenden kleinen Fußweg, dem ›Pad‹, wie man hier sagte, trennte. Er sah, dass Wientjes Besuch hatte.
    Plötzlich entwickelte sich wieder diese innere Erregung. Als spräche der Anblick dieses Menschen irgendwelche Synapsen direkt an. Dass er anwesend war, änderte die Sachlage. Es bedeutete eine neue Chance zur Vergeltung. Ohne zu überlegen, urplötzlich wieder von diesem Gefühl eingenommen, lief er nach Hause, holte den Rucksack, in dem immer die kleine schwarze Tasche ruhte, und ging eilig zu Wientjes’ Haus zurück. Sich noch einmal umsehend, zwängte er sich zwischen die Zweige der Lebensbaumhecke.
    Der Blick auf das Wohnzimmerfenster war verhältnismäßig gut. Und die Tatsache, dass Harm Wientjes zwar Gardinen vor dem Fenster hatte, aber, falls vorhanden, die Vorhänge nicht zugezogen oder die Jalousie nicht heruntergelassen hatte, kam ihm entgegen. Die Gardine erschwerte zwar den Blick ins Haus, aber umgekehrt war es ebenso notwendig, sie wegzuziehen, um einen Blick in den Garten werfen zu können, wobei der Lichtschein aus dem Wohnzimmer allenfalls bis zur Hälfte der Rasenfläche reichte, die sich zwischen Hauswand und Hecke erstreckte. In deren Mitte diente ein Buchsbaum als Blickfang, was ihm wiederum zusätzliche Deckung bot.
    An der einen Längsseite des Gartens stand ein einfacher Jägerzaun, an der anderen gab es eine Mauer, die etwas überdimensioniert erschien, als wollten sich dort zwei Nachbarn auf gar keinen Fall in die Quere kommen. Hier hätte er sich kaum verbergen können. In der Hecke war es ohne Weiteres möglich. Der kleine Pad war ein Fluchtweg, wie er besser nicht sein konnte.
    Der Mann zielte, nachdem er die Pistole aus der schwarzen Tasche genommen hatte, probehalber. Daraufhin nahm er die Waffe wieder herunter und versuchte angestrengt, Details zu erkennen. Das Muster der Gardine war verwirrend, wenn man sich jedoch bemühte, sah man genug. Wientjes und seine Freundin Sonja Rabenstein hatten Dietmar Stöwers und dessen Lebensgefährtin zum Essen eingeladen. Letztere war allerdings an diesem Abend verhindert, so hatte Stöwers entschieden, allein die Einladung wahrzunehmen.
    Er war also offenbar aus dem Krankenhaus entlassen worden und vielleicht hatten sie ihn eingeladen, um den Schock vom Großen Meer gemeinsam zu verarbeiten. Eine gute Konstellation, wussten sie doch nicht, dass schon bald der nächste folgen sollte. Nicht ahnend, dass der Schilfschütze zum Heckenschützen mutieren und in Kürze erneut zuschlagen würde. Wientjes’ Freundin kam zur Tür hinein und schien, soweit er das erspähen konnte, so etwas wie eine Auflaufform auf den Tisch zu stellen.
    Er zielte auf die Schläfe. Dort würde der Schuss mit Sicherheit Wirkung zeigen, gleichwohl nicht unbedingt zum sofortigen Tod führen, wie er vor einiger Zeit gelesen hatte, er wusste nicht mehr, wo. Aber das war gar nicht sein Ziel. Wer auf der Stelle tot war, konnte nicht leiden, keine Angst haben. Die sollte sich entwickeln, langsam, aber sicher. Er sollte erleben, wie es ist, wenn man bedroht wird, aber nicht weiß, von wem, wenn man Angst haben musste, weil man nicht wusste, was als nächstes passiert.
    Er suchte sich ein neues Ziel. Die Waffe wäre für einen Unerfahrenen gewöhnungsbedürftig, sie war alles andere als ein hochmodernes Gerät. Genutzt hatte er sie nur selten. Dennoch hatte er sie fast immer dabei – niemand wusste, dass er sie besaß, registriert war sie nirgendwo. Ein Schwarzmarktgeschäft, unter der Hand. Vor Jahren.
    Er musste treffen, aber nicht die Schläfe. Er würde jetzt nicht töten, er würde ihn und die anderen Anwesenden in Angst und Schrecken versetzen, das wäre ihm für den Moment genug. Vorerst. Wie am Großen Meer. Die zwei anderen hatten mit der Sache eigentlich gar nichts zu tun, sie würden in Mitleidenschaft gezogen werden, weil sie nun mal gerade hier waren. Wie nannten die Militärs das? Kollateralschaden?
    Er besah die alte Handfeuerwaffe. Er hatte sie nie aus der Hand gegeben und sie in der kleinen schwarzen Tasche gehabt. Er hatte sie oft dabei, im Rucksack, wenn er wandern ging, im Handschuhfach seines kleinen Wagens, wenn er damit unterwegs war. Er hätte nie begründen können, weshalb er sie mitführte. Erst jetzt, so schien es ihm, machte es Sinn. Vielleicht hatte der Moment erst kommen müssen. Vielleicht wollte das

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