Bugschuß
Ulferts.
»Mein Gott – wieder was Falsches gesagt, was?« De Vries versuchte, sarkastisch zu sein. »Ach ja, selbstverständlich nutze ich den Sonntagnachmittag besonders gern, um zum Großen Meer zu fahren und auf Schuldner zu schießen, die da gerade irgendwo mit einem Boot rumschippern.«
»Haben Sie Zeugen?«
»Zeugen? Mann, wie soll ich Zeugen haben? Ich melde mich nirgendwo an oder ab und meine Frau war zwei Tage bei ihrer Mutter, die ist krank. Kinder haben wir nicht.«
»Sie haben kein Alibi.«
»Wozu? Und jetzt sage ich nichts mehr ohne meinen Anwalt. Und der wird Ihnen was erzählen!« De Vries’ Stimme klang wieder gereizter.
»Nun erregen Sie sich nicht immer gleich so«, bat Tanja Itzenga, »wir stellen Fragen, das ist unsere Pflicht im Rahmen seriöser Ermittlungen.«
»Dann glauben Sie mir – nicht Jande. Das wäre seriös.« De Vries machte Anstalten, das Gespräch zu beenden. »Ich würde gerne die Hecke zu Ende schneiden. Ich will damit fertig sein, bevor es dunkel wird.«
»Wie Sie wollen.«
Ulferts und Itzenga verabschiedeten sich von Siebold de Vries, dessen Gesichtsausdruck sein Missfallen über den Besuch der beiden Polizisten zeigte.
Ohne weitere Worte gingen die Kollegen zu ihrem Auto, setzten sich, Itzenga auf den Fahrer-, Ulferts auf den Beifahrersitz. Dann sahen sie zu de Vries’ Haus. Der hatte seine Heckenschere wieder in Gang gesetzt und ihnen einen grimmigen Blick zugeworfen.
Itzenga wendete sich Ulferts zu.
»Und?«
»Er hat ein leicht erhitzbares Gemüt, ist beileibe nicht immer sachlich, er kann schießen …«, zählte Ulferts auf.
»Beweise sind das alles nicht, Ulfert«, zweifelte Itzenga.
»Er hat kein Alibi.«
»Das hört sich an, als seist du berufsmüde, so nach dem Motto: immer dasselbe!« Tanja Itzenga sah ihren Kollegen ein wenig mitleidig an.
»Das müsstest gerade du verstehen können!«, war Ulferts’ resigniert klingende Antwort.
Die Hauptkommissarin startete den Wagen und fuhr an.
»Ich hatte es wirklich nötig – du hast es damals selbst gesagt«, riss die Hauptkommissarin ihren Kollegen aus dessen Gedanken und stellte Überlegungen über das weitere Vorgehen an: »Wir müssen bei de Vries nachhaken. Wir sollten tatsächlich seine Frau befragen, vielleicht die Nachbarn einbeziehen. Ein Alibi für den Tag fehlt ihm. Falls es eines gibt, finden wir es in seinem Umfeld. Da müssen wir noch mehr Informationen einholen.«
Die beiden Polizisten schwiegen eine Weile. Dann schaltete Tanja Itzenga das Radio ein und drückte die Taste zum Abspielen der CD, die noch im Gerät steckte. Sie sah derart gedankenverloren nach vorn, als Ina Müller ihr ›Du schweigst unsere Liebe tot‹ sang, dass Ulferts nicht wagte, in diesem Augenblick zu stören. Schließlich nahm er den Gesprächsfaden wieder auf.
»Und Kremers? Was ist nun mit Kremers?«
»Kremers? Ich weiß nicht. Der hat einmal Scheiß gebaut, und es war ein Versehen. Das macht er nicht noch mal. Zweimal passiert so etwas nicht.«
»Wer weiß? Vielleicht ist sein Hass auf Wassersportler mit ihm durchgegangen?«
»Hass … ist das nicht zu extrem, Hass? Kremers hat doch gewaltig unter seinem Fauxpas gelitten.« Itzenga war nachdenklich. Sie bog auf die B 210 Richtung Aurich ab, als sie anmerkte: »So einem de Vries, dem traue ich da schon mehr zu!«
20
Die kräftigen Lebensbäume, aus denen die Hecke bestand, boten erstklassige Deckung. Er hatte sich geradezu hineinzwängen müssen, die Pflanzen standen in zwei Reihen, immer auf Lücke gesetzt. Jetzt, in der Dunkelheit, konnte ihn niemand sehen, zumal er dunkle Kleidung trug. Selbst wenn jemand sehr nah an ihm vorbeigekommen wäre, wäre er nicht entdeckt worden.
Es war nicht schwer gewesen, Namen und Adressen herauszufinden. Die Fotos von Ruder- und Radtouren, Lauftreffs oder sonstigen Veranstaltungen, die im Internet veröffentlicht waren, auf der Vereinshomepage, bei Facebook, Picasa, MyAlbum oder sonst wo, ermöglichten ihm, Namen zu erfahren und sie Gesichtern zuzuordnen. Adressen waren dort mitunter ebenso vorhanden, und das Online-Telefonbuch gab auch einiges her. Man wurde nicht immer fündig, Harm Wientjes’ Anschrift war jedoch recht schnell gefunden. Nach wenigen Mausklicks war es getan und er hatte sich gewundert, wie kurz die Distanz zwischen dessen Haus und seiner Wohnung war. Via Google Earth hatte er sich das Wohngebiet angeschaut, herangezoomt und beschlossen, einen Gang dorthin zu machen, was er am späteren Abend
Weitere Kostenlose Bücher