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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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Arschlöcher!«
    »Genau, Arschlöcher!«
     
    Aber auf der Wolfgang-Heinz-Probebühne ist ja nun alles da, mein roter weiter Mantel, mein Glitzer, Uwes schwarzer langer Mantel, sein Mikroskop, weiß geschminkt unsere Gesichter. Es gibt sogar einen Vorhang, die Brechtgardine, die ich während der Pink-Floyd-Musik versehentlich oder aufgrund der Aufregung nur zur Hälfte aufziehe, sodass Uwe seinen Monolog praktisch im Off vorträgt, als Hörspiel sozusagen.
    Die Intendanten im Zuschauerraum schauen sich das alles schweigend an, nur ein einsamer Student, der irgendwo sitzt und Fritz heißt, lacht heiter in sich hinein. Uwe starrt auf den vor seiner Nase hängenden Vorhang und trägt unbeirrt seinen Monolog vor: »Habe nun, ach … «. Und zwar eisern, bis zum Ende der drei Seiten. Vielleicht hofft er, dass es wie Absicht rüberkommt.
    Erst bei meinem Auftritt sehe ich, dass Uwe nicht zu sehen ist, was mich total aus der Bahn wirft. Auch weil ich wegen der Mitschuld an dem Vorhangdesaster ein schlechtes Gewissen habe. Ich brauche also eine Weile, bis mir meine Worte einfallen. In diesem Zeitraum, den die Zuschauer entgegen meiner Hoffnung durchaus als Blackout wahrnehmen, treffen sich Uwes und mein Blick in tiefem Verständnis des Scheiterns, das in diesem Moment unausweichlich ist. Wir werden wohl am Ende dieses Vorsprechens die Einzigen in der Schauspielschule sein, die kein Engagement haben. Aber auch hier heißt es nun wie so oft: Augen zu und durch. Tatsächlich schließt Uwe seine Augen, wie ein Kind, das meint, man sähe es jetzt nicht mehr.
    Ich beginne in weiter ausholenden Linien als sonst meine Mephisto-Darstellung. Nicht aufgeben, denke ich, vielleicht kann ich das Ruder noch rumreißen, der Text sprudelt, ich führe die Szene, ich muss sie führen, denn mein Partner sieht ja nichts, ich wirble mit dem Mantel, ich schreibe Glitzer in die Luft – und siehe da, Uwe erwacht aus seiner Paralyse und lupft nun seinerseits den Mantel, öffnet die Augen, schöpft Hoffnung, er nimmt meinen Tanz auf, so wie es die Verabredung verlangt, wir nehmen Schwung und springen umeinander herum, dass es eine Freude ist.
    Doch plötzlich – es ist der Moment, an dem Faust sich seine Seele fast endgültig von Mephisto abschwatzen lässt –, werden Uwes Augen tot. Es kommt kein Text mehr von ihm. Es kommt einfach kein Text mehr von ihm. Nichts. Und wenn sein Text nicht kommt, kommt mein Text auch nicht. Also springen und hüpfen wir Runde um Runde stumm umeinander herum, peitschen uns gegenseitig mit den Mänteln, atmen schwer und finden in unserer Verzweiflung kein Ende. Immer wieder bieten wir Varianten des Drehens und Hüpfens aus dem mühsam erarbeiteten Fundus eines vierjährigen Schauspielstudiums dar.
    Irgendwann bleibe ich stehen. »Scheiße«, sage ich laut zu Uwe und vergesse, dass wir vor Zuschauern stehen.
    »Genau«, sagt ein hagerer, weißbärtiger Mann und steht auf, »das ist Scheiße, Jungs.« Es ist der Intendant aus Dresden, den mein Vater überredet hat, zu kommen und sich doch seinen Jungen mal anzusehen.
     
    »Sag mal, Uwe«, frage ich Uwe am Telefon, »warum hast du damals eigentlich den Vorhang nicht aufgezogen, als du deinen Monolog hattest?«
    Uwe ist sofort bei der Sache. »Weil ich diese Frau im Zuschauerraum habe sitzen sehen.« Er klingt immer noch, nach nunmehr fast dreißig Jahren, verstört und betroffen. »Diese Dozentin mit der Halbbrille, wie hieß sie doch, ich habe ihren Namen auf der Zunge, die saß schon wieder mit so einer Fresse da unten, weißt du, mit dieser Das-wird-doch-wieder-nichts-mit-diesen-Idioten-Fresse. Die hat uns gehasst, und da war es mir eigentlich ganz recht, dass die mich nicht sah und ich sie nicht.«
    »Deswegen hast du 15   Minuten im Off gespielt?«
    »Angst«, sagt Uwe, »war natürlich auch im Spiel.« Er denkt kurz nach. »Angst ist eben nicht rational.«
    »Weißt du, was mich immer noch wundert? Dass wir dann doch ein Engagement bekommen haben, nach Gera immerhin«, sage ich.
    »Das kann ich dir erklären. Weil sie den Schröder, den Intendanten, fertigmachen wollten. Das Regieduo Erfort-Kunze war damals ja das neue Oberspielleiter-Team und die wollten den Intendanten stürzen. Deswegen haben die ja auch Castorf engagiert. Und es hatte sich herumgesprochen, dass wir zwei Randalierer waren, die über eine extreme Arroganz und ein hohes Zerstörungspotenzial verfügten.«
    Jetzt bin ich etwas verstört, weil ich mir plötzlich so benutzt vorkomme. »Da

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