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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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wie gespuckt sei. Und überhaupt sähe er meine künstlerische Heimat in Parchim. Nachdem er mir versprochen hatte, dass ich in Parchim auch mal eine Regie machen würde, stand meinem Weggang von Gera nichts mehr im Wege. Bis man mir dann ein halbes Jahr später in Parchim fristlos kündigte, begann für mich die schönste Zeit meines Lebens.

9 KASERNIERTE ZUSCHAUER
KASERNIERTE ZUSCHAUER
    9 IM RANG, versteckt hinter der Balustrade, kann man sehr gut beobachten, was da unten auf der Bühne passiert. Die Maskenbildnerin Ute hat ihren Posten bezogen. Im selbst gewählten Auftrag der Partei, versteht sich.
    Sie ist eigentlich gar kein so schlechter Mensch, warum sie das tut, ist ihr so klar nicht, es ist eher ein anerzogener Reflex. Sie hat da was gehört, in der Maske, von dem, was die da auf der Bühne tun. Zwei Sachen sind ihr da aufgefallen, die eigentlich nicht gehen. In einer Szene, so hat sie gehört, soll Schortie das Lied vom kleinen Trompeter spielen. Und zwar auf der Trompete. Diese Idee löst bei Ute Unbehagen aus, denn es ist sowohl Walter Ulbrichts als auch Erich Honeckers Lieblingslied, was ja weiter nichts Besonderes wäre, wenn da nicht an der Wand des Bühnenbilds schon eine extrem vergrößerte Briefmarke mit Walter Ulbricht hängen würde. Eine extrem vergrößerte Briefmarke mit Walter Ulbricht in einem roten Rahmen – das riecht stark nach Ironie. Ironie ist ja so eine Art Buschfunk, der Nachrichten transportiert, die nur die Eingeweihten entschlüsseln können. Gewieft sind die, denkt sich Ute.
    Das Lied vom kleinen Trompeter ist kein kurzes Lied. Es ist ein langes Lied, und zwar so lang, dass selbst die Hardcore-Fans nur die kurze Fassung singen. Doch Schortie hat den Auftrag, die lange Version zu spielen, und den lebt er nun richtig aus auf seiner Trompete. Auch das wäre nicht weiter schlimm, würde nicht während seines Spiels auch noch eine Sexszene gegeben.
    Sie hat keine Ahnung, worum es in dem Stück von Alfred Matusche geht. Dass der ein Säufer war, weiß sie, totgesoffen hat der sich, das weiß sie auch, mehr eigentlich nicht. Uwe Dag Berlin und Leander Haußmann führen Regie. »Auf die muss man aufpassen«, das hat sie schon der Parteileitung gemeldet, auch, dass Intendant Thiede mit denen unter einer Decke steckt. Es geht das Gerücht, der Genosse Intendant hätte denen aus Parteigeldern eine Beatanlage ermöglicht. Das wäre ein ziemliches Ding. Das hieße für ihn: Raus aus dem Theater, raus aus der Partei.
    Jedenfalls spielt dieser Schortie da unten auf der Bühne das Lied so lange, bis auch der Letzte merkt, wie trist und blöde die Melodie ist. Und Uwe Dag Berlin, der den Kap spielt in diesem komischen Stück namens »Kap der Unruhe« und der die ganze Zeit versucht, mit dieser Frau da auf der Bühne in einem nicht funktionierenden Klappbett Sex zu haben, wirft nach der x-ten monoton gespielten textlosen Strophe seinen Seesack nach Schortie und ruft »Scheißten«. Das heißt so viel wie Scheißosten. Aber eben nicht nachweisbar. Scheißten ist Scheißten und nicht Scheißosten. Da kann ihnen keiner was, jeder versteht es, aber keiner kann es bezeugen, sehr schlau.
    Aber es kommt noch schlimmer. Obwohl Ute eigentlich ganz lustig findet, was sie da sieht, und eigentlich die Arschlöcher da unten auch lustig findet, melden muss sie es trotzdem, dass jetzt eine komplette, wahrscheinlich aus Parteigeldern finanzierte Beatmusikanlage durch die Papierwand des Bühnenbildes rauscht. »Lalala« von den Rattles ertönt, gespielt von den Rädelsführern.
    Und jetzt kommt das Ding, um das es geht, und da muss man was machen, es melden sowieso, aber auch was machen dagegen, wir werden sehen: Ein Schauspieler betritt als Volkspolizist die Bühne. »Ausweise.« Alle rufen eins, zwei, drei und ziehen die Ausweise, die der Polizist akribisch kontrolliert, doch dann haut Schortie plötzlich mit Schlagstöcken auf eine Kuhglocke, alle spielen »Honky Tonk Women« von den Stones und der Volkspolizist gerät in Ekstase. Er zuckt und bewegt sich lasziv, während er seine Uniform auszieht, ja, er macht einen Striptease, bis er kaum noch was anhat und erschöpft hechelnd am Boden liegt und irgendwann mit dem Satz abgeht: »Macht nicht mehr so lange, Leute.«
     
    »Habt ihr gehört?«, sagt einer, der es wissen muss, während der Probe. »Die wollen uns kasernierte Volkspolizei in die mittleren zwei Reihen setzen, die sollen dann an den besagten Stellen ›Buh‹ rufen.«
    Empörung unter den

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