Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
wurden wir in einer Palastintrige ohne unser Wissen als Geheimwaffe verwendet?«
»Ja«, sagt Uwe. »Zwei wandelnde …«, er sucht kurz nach dem Wort, »… Imponderabilien. Wenn man mit etwas nicht umgehen konnte, dann war es das Außerplanmäßige. Und wenn wir etwas waren, dann das.«
8 DER LETZTE BÜHNENBOHRER
DER LETZTE BÜHNENBOHRER
8 DER PAPPBAUM, auf dem ich seit Stunden sitze, schwankt. Tatsächlich hat man sich darangemacht, die Bühnenbohrer aus dem Sockel des Baumes zu entfernen. Ich würde meine Position nicht mehr sehr lange halten können, ich würde den Baum verlassen müssen, das war mal klar. Aber Weggehen ist immer einfacher als Zurückkehren, und Raufklettern ist immer einfacher als Runterkommen.
Mitten in die Probe zu »Tschintschraka«, einem Kinderstück des georgischen Autors Nachutzrischwilli, war die Nachricht gedrungen, dass aufgrund der Ereignisse am Vorabend meinem Freund Uwe Dag Berlin die fristlose Kündigung ausgesprochen worden war. Da ich zu diesem Zeitpunkt auf dem Baum saß, auf den mich ein unbegabter Regisseur geschickt hatte, blieb ich dort auch gleich sitzen. Sofort war mir das Blut in den Kopf und meine Wut von null auf hundert geschossen. »Ihr Schweine!«, brüllte ich und so weiter.
Am Tag zuvor hatten Uwe Dag und ich die letzte Vorstellung des Erfolgsstücks »Amadeus« gespielt, großen Applaus geerntet, waren danach noch mit einem bulgarischen Musiker in dessen Geraer Wohnung gegangen und am nächsten Morgen in Richtung unserer jeweiligen Unterkünfte getorkelt. Ich machte mir zwar Sorgen, als ich Uwe in den leeren Straßen der Stadt Indianerlieder singen hörte und mit Ira, einer durchaus hübschen rothaarigen, nicht unkomplizierten Dame aus dem Tanzensemble, verschwinden sah. Aber ich hatte selbst Streit mit meiner Frau Christiane, der darin geendet war, dass Christiane zwischen den Obdachlosen im Park auf einer Bank übernachtete.
Uwe muss dann, als er vor dem Wohnheim, das auch noch gegenüber der Stasizentrale lag, angekommen war, versucht haben, mit einem Feuerzeug die obligatorisch vor dem Haus wehende DDR -Fahne anzuzünden. Doch da ihm das aufgrund des einsetzenden Regens nicht gelang, schoss er wohl mit einer imaginären Maschinenpistole auf die Stasizentrale, woraufhin eine Stunde später ein Einsatzkommando der Volkspolizei seine Unterkunft stürmte, wo Uwe und Ira gerade im Bett zugange waren, nackt, versteht sich. Man nahm Uwe mit auf die Wache, um ihm Blut abzuzapfen, was nur unter Gewaltanwendung möglich war, denn Uwe wehrte sich heftig. Als man sich endlich seines Bluts bemächtigt hatte, kommentierte Uwe das mit »Gestapo-Methoden!« und marschierte mit dem Führer-Gruß durch die Gänge des Stasi-Kellers. Ein paar Stunden später war er nicht mehr Mitglied des Geraer Theaters.
Die nächsten Monate wurden eine traurige Zeit. Natürlich war ich vom Baum heruntergeklettert, bevor der letzte Bühnenbohrer herausgeschraubt worden war. Uwe ging vor Gericht. Und verlor. Intendant Schröder hatte die besseren Karten. Uwes Rechtsanwalt schien mit Absicht zu verlieren. Ich wurde als Zeuge nicht zugelassen. Die Schöffen schliefen während der Ausführungen der Verteidigung, und der Richter hörte sich währenddessen über Kopfhörer die Aufzeichnungen der Vortage an. Ich fristete noch eine Weile mein trübes Dasein an den Bühnen Gera, um mich dann auch langsam zu verabschieden.
Ein Jahr nach Uwes Entlassung gingen wir gemeinsam nach Parchim. Uwe hatte sich bis dahin als Arbeitsloser herumgeschlagen. Da Arbeitslosigkeit in der DDR offiziell nicht vorkam, gab es auch keine soziale Hilfe. Ganz im Gegenteil: Uwe war damit beschäftigt, nicht unter den sogenannten Asozialen-Paragrafen zu fallen, der zur Arbeit verpflichtete. Man konnte, wenn man auffällig wurde, durchaus abgeholt und eingesperrt werden. Unser Freund Castorf, der nach seinem Comeback in Gera wieder auf guten Füßen stand, steckte Uwe die eine oder andere Mark zu.
Das Vorstellungsgespräch für Parchim fand im ersten Haus am Platze statt, dem Interhotel in Gera. Herr Dagöööba saß tief im Plüsch und sah mich mit loderndem Blick an. Er war neuer Oberspielleiter der Landesbühnen Parchim und ganz in Schwarz gekleidet. Ich hatte gerade eine Premiere mit dem Ibsen-Stück »Frau vom Meer« hinter mir, wo ich mit der Typendarstellung des Lyngstrand einen schauspielerischen Erfolg feierte. Dagöööba fand mich ganz okay und meinte, dass ich für die Rolle des Tesman in »Hedda Gabler«
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