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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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Schauspielern, wütendes Stampfen, Das-gibt-es-doch-nicht- und Diese-Schweine-Rufe, blanker Zorn, ein wenig Angst natürlich, aber vor allem Stolz. All das in verhaltener, der Sache angemessener Lautstärke, also eher leise. Was will man mehr, denke ich und freue mich. Da werde ich später mal meinen Enkeln was zu erzählen haben, denke ich auch und fühle wieder den alten Revoluzzerstolz.
     
    »Wir brauchen echte Punks«, sage ich zu Uwe. Oder Uwe sagt es zu mir, ich weiß es nicht mehr. Also rufen wir Die Firma an, die irgendwie auch Feeling B ist, aber eben auch Freygang , ich selbst blicke da nicht so durch in der Punk-Szene, aber Uwe. Deshalb kümmert er sich drum.
    Dann sind sie da: Punks, argwöhnisch beäugt und selbst argwöhnischen Blicks. Mir wird in diesem Moment schon klar, dass Punk und Theater nicht zusammengehören, weil sie nicht zusammenpassen. Sie sollen im zweiten Teil des Stücks auftreten, in einer Kneipensituation. Die echten Punks sind auf der Bühne verteilt, sie sitzen an Tischen aus gepresstem Holz, Sprelacart genannt. Der alte Barde Fritz Mokros soll einem Punker einen sogenannten Bierkäfer in sein gefülltes Bierglas tun und »Bierkäfer« sagen. Dann soll der Punk sagen: »Das ist aber nicht nett, alter Mann.« Der Punk-Darsteller heißt Paul oder Flake, er ist auserwählt worden, weil er der netteste ist, später wird er berühmt und reich werden mit einer Band namens »Rammstein«. Ein Mädchen mit flammenden roten Haaren, Tatjana – früher Krishna-Anhängerin, jetzt Punkerin, 21   Jahre alt, aus alten Friedrichshagener Tagen – sitzt auch mit auf der Bühne, ganz in Leder. Und da ist noch einer, der Freund von Tatjana. Er heißt Andrej Greiner-Pol, ist ein 35-jähriges Urgestein mit Zigeunerblut und schüttelt den Kopf. Irgendwie mag er das hier nicht.
    Die Idee mit den Punks, der Kneipensituation, dem Bierkäfer und so weiter wird einen Tag vor der Weltpremiere wieder verworfen.
     
    Die Weltpremiere ist halb voll. Die meisten Zuschauer sind tatsächlich Männer in Uniform, ganze zwei Reihen.
    Der Vorhang geht auf, es regnet auf der Bühne, Hippies in Siebzigerjahre-Klamotten suhlen sich auf einer Ausziehcouch und saufen. Was man noch sieht, sind ein riesiger Stuhl, eine gerahmte Walter-Ulbricht-Briefmarke, ein Pinguin, der in einem Kühlschrank wohnt, und ein langes Dachrinnenrohr, das zusammengesteckt ist und durch den Zuschauerraum führt, mit einer Glasmurmel, die durch das Rohr rauscht wie Kacke durch die Kanalisation.
    Ein Typ mit einem Weltfestspiele-T-Shirt klampft einen Hootananny:
    »Kalaschnikow statt Cocacola
    Hela-hela-helo
    Bringt Selbstbestimmung für Angola
    Hela-hela-helo
    An jedem Ort, da weiß man’s schon
    Hela-hela-helo
    Parteitag bracht ’n neuen Ton
    Hela-hela-helo
    Dank eines neuen Paragrafen
    Hela-hela-helo
    Kann man jetzt wieder miteinander schlafen
    Hela-hela-helo«
    Schweigen im Zuschauerraum, nur das Kegelgeräusch aus dem Keller dringt gelegentlich nach oben und der Hahn auf dem Hof kräht. Triumphierend, wie mir scheint.
    Ein Schlagzeug und eine kleine Bühne krachen durch die Wand. »Achtung, jetzt kommt die Szene«, tuschelt es im Zuschauerraum. Zwei Reihen uniformierte kasernierte Volkspolizisten nehmen Haltung an und machen sich bereit.
    »Lalalala …«
    Leichtes Fußwippen. Kopfschütteln. Ein fast unsichtbares Schwenken der nicht vorhandenen langen Haare.
    Der Bühnenvolkspolizist kontrolliert die Ausweise der Band.
    Anerkennung im Zuschauerraum, leises Gemurmel, Ansätze von Klatschen. Man findet sich in der Darstellung offensichtlich wieder.
    Jetzt kommt die Kuhglocke. »I met a gin soaked, barroom queen in Memphis.« Der Bühnenvolkspolizist beginnt zu zucken. »It’s a Ho ho ho ki tonk woman …« Er gerät in Ekstase.
    Zwei Reihen uniformierte kasernierte Volkspolizei klatschen in wildem Rhythmus mit, stampfen und dampfen, dann segelt die Mütze des Bühnenvolkspolizisten in den Zuschauerraum, die Hüften kreisen. Die Jacke, das Hemd, der Gürtel, die Hose, sie landen auf dem Bühnenboden, der eine oder andere Volkspolizist im Zuschauerraum lockert seinen Hemdkragen, die Knöpfe fliegen aus den Löchern. »Bravo!«
    »Wer war das?« Der Vorgesetzte steht beunruhigt auf und sieht sich um. Alle machen mit, er setzt sich wieder. Andere stehen auf und sind drauf und dran, schneller nackt zu sein als unser Bühnenpolizist. Der kleine zaghafte »Buh«-Ruf des Parchimer Bezirksparteisekretärs versickert ungehört im Bermudadreieck der

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