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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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auf
andere Gedanken zu bringen. Am nächsten Tag würde er ziemlich früh aus den
Federn müssen. Die morgendliche Besprechung war vorverlegt worden, damit er zu
Schulbeginn in Nottuln sein konnte. Die Identität des potenziellen Amokläufers
war noch immer nicht geklärt. Zwar hatten sie einen richterlichen Beschluss
erwirkt, um an die IP -Adresse des Internetnutzers zu gelangen.
Doch wie sich herausstellte, war die Drohung von einem Internetcafé aus ins
Netz gestellt worden. Der Betreiber des Cafés konnte sich an den fraglichen
Kunden nicht mehr erinnern, und so blieb der Mann weiterhin anonym.
    Es würden morgen eine Menge Einsatzkräfte vor Ort sein. Die Kollegen
waren auf alles vorbereitet. Er sah auf die Uhr. In wenigen Stunden war die
Nacht schon wieder vorbei. Dann würden sie wissen, ob die Drohung ernst zu
nehmen war oder nicht.
    »Soll’s noch eins sein?«
    Hambrock stellte überrascht fest, dass er sein Bier schon wieder
geleert hatte. »Nein, danke. Ich zahle.«
    Im Grunde wäre er zwar noch gern geblieben. Aber es war wohl keine
gute Idee, am nächsten Morgen mit einer Fahne im Anne-Frank-Gymnasium zu erscheinen.

7
    Zu Beginn der ersten großen Pause wurde deutlich, wie
ungewöhnlich die Situation für das Gymnasium war. Die Schüler – nur ein Viertel
von ihnen war an diesem Tag überhaupt gekommen – versammelten sich im Eingangsbereich,
weil sie das Gebäude nicht verlassen durften. Die Pause fand in der
Eingangshalle und in der Aula statt, das war eine der Schutzmaßnahmen.
    Die Stimmung unter den Jugendlichen war angespannt. Sie wirkten zwar
gut gelaunt und machten Witze über die Situation. Trotzdem war die Aufregung zu
spüren. Auf Hambrock machten sie den Eindruck, als stünde ein Schulausflug
bevor, bei dem ein Gruselkabinett besucht werden sollte. Da wurde gekichert und
gelacht, aber insgeheim war ihnen das Ganze schon etwas unheimlich.
    Nach einem Gespräch mit Suhrkötter im Büro der Schulpsychologin
durchquerte Hambrock die Aula und entdeckte die Rektorin, Frau
Rössler-Sahlkamp, an der Fensterfront, wo sie nachdenklich auf den Schulhof
hinaussah. Jenseits der großen Scheibe fegte ein kräftiger Wind über den
Asphalt. Er zerrte an Bäumen und Sträuchern und peitschte abgestorbene Blätter
durch die Luft. Es war der erste Herbststurm in diesem Jahr. Ein Sturmtief mit
Regenschauern und Gewittern sollte im Laufe des Tages das Münsterland
überqueren. Das warme spätsommerliche Wetter war damit wohl endgültig vorbei.
    Hambrock stellte sich neben sie. »Wie geht es Ihnen? Ganz schöne
Aufregung hier, nicht wahr?«
    Sie hob die Schultern, ohne den Blick vom Schulhof abzuwenden. »Ich
bin unruhig. Das ist alles.«
    »Bei diesen Schutzmaßnahmen ist es für den Amokläufer unmöglich, das
Schulgebäude zu betreten. Glauben Sie mir, es kann nichts passieren.«
    »Nein. Heute nicht.«
    »Die Polizei wird auch weiterhin verstärkte Präsenz zeigen. Alle
sind vorgewarnt. Alarmstufe gelb bleibt bestehen, wenn man so will.«
    Sie wirkte wenig überzeugt.
    »Es gibt keinen perfekten Schutz«, räumte Hambrock ein. »Aber Sie
haben ein taugliches Notfallprogramm, die Polizei ist in Alarmbereitschaft.
Wenn in Zukunft ein Amokläufer tatsächlich das Schulgebäude stürmen sollte, hat
er so gut wie keine Chance, ernsthaften Schaden anzurichten.«
    »Wollen wir’s hoffen.« Sie seufzte. »Trotzdem habe ich bei der
ganzen Sache kein gutes Gefühl.«
    Draußen tauchte ein Schutzpolizist auf. Auf dem Weg zu seinem Wagen
erfasste der Wind seine Mütze und ließ sie ein paar Meter weiter auf den Boden
fallen. Der Polizist eilte hinterher und versuchte sie aufzulesen, doch jedes
Mal, wenn er sie beinahe zu fassen bekommen hatte, rollte der Wind sie ein
Stück weiter den Asphalt entlang. Schließlich verschwanden Mütze und Polizist
aus ihrem Blickfeld.
    Die Rektorin wandte den Blick ab. »Und was machen wir jetzt?
Abwarten?«
    Hambrock gab sich gut gelaunt: »Wir trinken einen Kaffee. Am besten
im Lehrerzimmer, wo wir Ruhe vor den Schülern haben. Da können wir uns ein
bisschen unterhalten.«
    Sie lächelte. »Also gut. Kommen Sie.«
    Über dem Münsteraner Bahnhofsgelände brauten sich dunkle Wolken
zusammen. Ein kalter Wind fegte über die Straßen, von ferne war Donnergrummeln
zu hören. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die angekündigten
sintflutartigen Regenfälle über die Stadt hereinbrechen würden. Jule raffte
ihre Einkäufe zusammen und beschleunigte ihren Schritt. Sie wollte

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