Bullenball
funkelte Trotz auf. »Das hätte er niemals gemacht?«
Sie stieß ein freudloses Lachen aus. »Er hat sie geschlagen, Tim.«
»Matthis?«
»Genau. Er war ein Schläger. Sie hatte Angst vor ihm.«
Das saß. Tim war sprachlos. Er hätte Matthis einiges zugetraut, doch
niemals, seine Freundin zu schlagen.
»Ich habe ihr gesagt: ›Du musst ihn sitzen lassen. Du darfst dir das
nicht gefallen lassen. Wie willst du dich noch im Spiegel anschauen können,
wenn du so etwas mit dir machen lässt?‹ Aber sie hat nur den Kopf geschüttelt.
Wollte nichts davon hören.«
»Matthis hat sie geschlagen …«
»Und sie hat es nicht geschafft, ihn sitzen zu lassen. Sie ist
einfach bei ihm geblieben. Ist das nicht furchtbar dumm?« Maike setzte sich
wieder zu ihm. »Ich weiß, er war dein Freund. Und ich will auch gar nicht schlecht
über die Toten reden. Aber du wolltest es ja unbedingt wissen.«
»Nein, schon gut. Es ist gut, dass du es mir gesagt hast.«
In seinem Kopf rasten die Gedanken. Vanessa. Hat sie sich etwa an
Matthis gerächt? Wer sonst kam infrage?
Neulich an der Halle war ihm gleich das eingeschlagene Kellerfenster
aufgefallen. Die Alarmanlage war nicht losgegangen, was nur bedeuten konnte,
dass Matthis sie bereits abgestellt hatte. Wer aber war für das kaputte Kellerfenster
verantwortlich? Er war hineingeklettert und hatte sich auf die Suche nach
seinem Freund gemacht. Im Foyer war er plötzlich im Lichtkegel seiner
Taschenlampe aufgetaucht. In einer Blutlache und mit gebrochenem Genick.
Tim hatte alles an sich genommen. Den Rucksack, die Taschenlampe,
vor allem aber die Knetmasse mit dem Abdruck des Tresorschlüssels.
Seitdem wusste er nicht mehr, wem er trauen konnte. Das Beste wäre
wohl, alles abzubrechen. Den Plan zu vergessen. Doch Vanessa meinte, sie
sollten die Sache durchziehen wie geplant. Auch wenn Matthis jetzt nicht mehr
dabei war. Doch konnte er Vanessa überhaupt noch trauen? Wer sagte ihm, dass
sie es ernst meinte und ihn nicht am Ende über den Tisch zog? Wenn sie
tatsächlich Matthis getötet hatte, was würde sie dann mit ihm machen?
»Du darfst es ihr nicht sagen«, sagte Maike. »Das musst du mir fest
versprechen. Du darfst ihr auf keinen Fall sagen, dass ich dir davon erzählt
habe. Das würde sie mir nie verzeihen.«
»Keine Sorge.« Er nahm ihre Hände in die seinen. »Ich werde ihr
nichts sagen.«
Sie blieben wortlos in der Küche sitzen. Von draußen drang das
Rauschen des Verkehrs. Es legte sich über Tims Gemüt und verdunkelte sein
Denken. Er durfte Vanessa nicht trauen. Er musste seinen eigenen Plan
entwickeln.
Es ist alles vorbereitet. Übermorgen ist es so weit. Meine Waffen
liegen bereit, in Gedanken habe ich meinen Plan wieder und wieder
durchgespielt. Ich bin gewappnet. Bereit, zum großen Schlag auszuholen. Der
Schlag, der alles verändern wird. Den keiner in seinem Leben je wieder
vergessen wird. Dafür ist gesorgt. Ich werde ein Feuer heraufbeschwören, das es
mit dem der Hölle aufnehmen kann. Ihr werdet euch wundern, mit welcher Kraft
ich euch niedermetzele. Was ich für ein Inferno erschaffen werde. Der Countdown
läuft, keiner kann mich jetzt noch aufhalten.
Was für eine Ironie, als hier plötzlich die Polizei auftauchte, um
mich zu befragen. Den Spaß habe ich mir nicht nehmen lassen. Diese Idioten.
Irgendjemand hat tatsächlich meine Amokdrohung am Anne-Frank zum Anlass genommen,
als Trittbrettfahrer in Erscheinung zu treten. Wer hätte gedacht, dass ich
schon kopiert werde? Doch das ändert nichts. Ich bin das Original. Ich und
sonst keiner. Die Bullen haben sich aufgeführt wie die Volltrottel. So werden
die mich nie kriegen. Keine Ahnung haben die, was ich plane. Oder wie es in mir
aussieht. Die werden sich noch alle umgucken.
Eigentlich sollte ich mich freuen. Mir die Finger lecken, weil alles
so gut klappt. Nur eine Sache hält mich davon ab: schneeprinzessin. Sie ist die
Einzige, die mich durchschaut hat. Und nicht nur das. Wenn ich mit ihr chatte,
bringt mich das immer auf komische Gedanken. Plötzlich zweifle ich daran, ob
das alles richtig ist, was ich so mache. Oder ich frage mich, ob es nicht einen
anderen – einen besseren – Weg gibt.
Dabei ist das totaler Quatsch. Es ist zu spät für solche Grübeleien.
Was sollen die auch bringen? Da kommt eine Frau, und schon kann ich nicht mehr
klar denken. Besser, ich ignoriere schneeprinzessin ab jetzt. Ich muss einfach
alles beiseiteschieben und mich auf meinen Schlag konzentrieren. Und sonst
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