Bullenball
könnte sich in Luft auflösen. Einfach
verschwinden. Morgen Abend würde sie sich der Lächerlichkeit preisgeben. Auf
der Suche nach einem Ehemann würde sie im Ballkleid und in Begleitung ihres
Vaters auf einer Discoparty auftauchen. Und alle wären da, alle, die sie kannte
– die gesamte Brooker Landjugend. Adelheid würde zu einem unfreiwilligen
Programmhöhepunkt werden. Nichts konnte sie aus diesem Albtraum befreien.
Widerwillig löste sie ihren Blick vom Spiegel und legte sich auf ihr
Bett. Sie wollte sich gut vorbereiten. Versuchen, nichts mehr an sich
heranzulassen. Wenn sie sich ganz in sich zurückzog, dann würde sie morgen
Abend vielleicht gar nichts spüren. Dann würde sie einfach erhobenen Hauptes
zum Schafott gehen. Und keinem Menschen würde es gelingen, sie mit Blicken zu
verletzen.
Sie musste sich nur genügend darauf konzentrieren.
14
Am Morgen ihrer beider Junggesellenabschiede erwachte Jule
noch vor Jonas. Der lag schlafend neben ihr, zusammengerollt am Rand des
breiten Bettes. Hatte ihr den Rücken zugewandt und drohte jeden Moment über die
Kante zu rutschen. Seine nackte Brust hob und senkte sich, sein Atem ging ruhig
und gleichmäßig.
Mein zukünftiger Mann, dachte Jule.
Sie bewegte sich nicht, wollte nichts tun, das ihn wecken konnte.
Einfach daliegen und ihn beobachten.
Werde ich sein Alibi sein?
Nein. Mit dieser Frage tat sie ihm unrecht. Jonas war ein guter
Mensch. Er hatte ein großes Herz, war sanft, humorvoll, großzügig. Da war so
viel Schönes in seinem Wesen, das täuschte er nicht einfach vor.
Trotzdem. Du kennst seine dunkle Seite, dachte sie. Das ist keine
Einbildung.
Dann verscheuchte sie den Gedanken. Rückte näher an Jonas heran und
umschlang seinen warmen, duftenden Oberkörper. Langsam erwachte er. Ihre Hand
glitt an seinem Bauch herab zu seinen Boxershorts. Unter dem Stoff ertastete
sie seine morgendliche Erektion. Noch speiste sie sich nicht aus Lust, und er
könnte jederzeit aufstehen und sie ganz einfach auf dem Weg zum Klo verlieren.
Doch das ließ sich ändern. Ihre Hand rutschte unter den Stoff, und Jonas stieß
einen lustvollen Seufzer aus.
»Willst du mich heiraten?«, flüsterte sie.
Er begann sich zu räkeln, lächelte mit geschlossenen Augen. »Ja, ich
will.«
»Wirst du mich auch noch lieben und begehren, wenn wir uns
irgendwann mal ständig streiten?«
Er blinzelte gegen das Licht, legte die Stirn in Falten.
»Natürlich.«
»Auch wenn ich zwanzig Jahre älter bin?«
Er antwortete nicht.
»Auch wenn ich zwanzig Kilo mehr wiege?«
Jetzt öffnete er die Augen. »Was soll denn das jetzt? Wir sind noch
nicht mal verheiratet.«
Am liebsten hätte sie gefragt: Wirst du mich auch noch begehren,
wenn ich nicht mehr aussehe wie eine Sechstklässlerin?
»Was ist los mit dir?«, flüsterte er. »Stimmt etwas nicht?«
Er liebte sie. Das bildete sie sich nicht ein. Er liebte ihr Wesen,
ihre ganze Art. Und umgekehrt war es das Gleiche: Sie liebte ihn.
Sanft legte sie die Hand auf seine Schulter und drückte ihn ins
Kissen.
»Nicht so viel denken«, hauchte sie.
Dann streifte sie ihr T-Shirt ab und legte sich vorsichtig auf ihn.
Es kam nicht oft vor, dass sie die Initiative ergriff. Jetzt tat sie es, um
sich selbst zu beweisen, wie unbegründet ihre Zweifel waren. Sie bedachte
seinen Oberkörper mit Küssen, fuhr ihm durchs Haar und spielte mit seinen
Brustwarzen. Dann nahm sie seinen Penis, führte ihn langsam in sich ein und
bewegte sich. Zunächst langsam und kreisend, dann immer schneller. Erst als
Jonas zu stöhnen begann, sah sie ihm ins Gesicht, und ihre Blicke trafen sich.
Er spürte ihren Zweifel, davon war sie überzeugt. Da war eine
Distanz zwischen ihnen, die sie kaum ertragen konnte. Sie versuchte es durch
Leidenschaft wettzumachen, bemühte sich immer mehr bei ihrem Liebesakt. Doch
sosehr sie es sich auch wünschte, sie kamen nicht miteinander in Kontakt. Es
war, als würde sie sich an ihm befriedigen.
Dann ergriff Jonas die Initiative. Er packte sie, zog sie zu sich
herab und gab ihr einen langen Kuss. Nahm ihre Brüste in seine Hände, liebkoste
sie.
Doch es gelang ihnen nicht, die Distanz beiseitezuschieben.
Gemeinsam trieben sie einen Liebesakt voran, der keiner war. Sie meinte nicht
ihn, und seine Erektion galt auch nicht ihr. Das wussten sie beide.
Jule spürte Erleichterung, als es endlich vorüber war. Verschwitzt
und schwer atmend lagen sie nebeneinander, ohne sich zu berühren.
Plötzlich sehnte sich Jule danach, dass
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