erteilen, das
Programm zu entpacken. Wenn er uns jedoch bemerkt, sind wir draußen. Am besten
wäre es, wenn wir wüssten, wann er aufsteht und aufs Klo geht zum Beispiel.«
Sie saßen da und starrten in den Monitor, als könnte er ihnen einen
Hinweis darauf geben, was am anderen Ende passierte.
»Vielleicht antwortet er auf deine Mail«, sagte Ben.
»Darauf wird er nicht antworten.«
Schweigen. Dann deutete Marie auf den Bildschirm. »Siehst du? Er hat
sich aus dem Forum abgemeldet! Das ist die Antwort auf meine Mail.«
»Vielleicht kappt er ja auch die Verbindung zum Internet.«
Sie sah ihm ins Gesicht. »Komm! Wir machen es jetzt!«
»Ich soll zuschlagen?«
»Ja. Versuchen wir’s. Jetzt mach schon. Vielleicht hat ihn meine
Mail so beunruhigt, dass er aufgestanden ist und herumläuft.«
Ben gab einen Befehl ein und schickte ihn los.
Marie rutschte unruhig auf dem Stuhl herum.
Sekunden des Wartens. Dann war es plötzlich so weit. Ben konnte auf
den fremden Rechner. Dessen Desktop erschien mit einem Hintergrundbild, das
eine zerstörte Science-Fiction-Stadt zeigte, mit brennenden Hochhäusern und
Kampfrobotern, die durch den Himmel schwirrten.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte er. »Er hat uns nicht bemerkt.«
Am Rand das Dateien- und Ordnerverzeichnis. Ben bewegte seine Maus,
der Cursorpfeil glitt über den fremden Desktop.
»Kann der das alles sehen, was wir jetzt machen?«, fragte Marie.
»Natürlich. Ich schätze mal, der ist wirklich auf dem Klo oder so
was.«
»Wir befinden uns also bei ihm im Schlafzimmer?«
»Wenn da sein Computer steht, ja.«
Ben klickte einen Ordner am oberen Rand des Desktops an. Eine Reihe
von Worddokumenten erschien. Das oberste trug den Namen
»BewerbungAutohaus.doc«.
»Na perfekt«, meinte er.
Er öffnete es. Ein Bewerbungsschreiben für eine Stelle als
Autoverkäufer baute sich auf. Oben links stand die Adresse des Absenders:
Marlon Wennemann, Brook. Daneben das Bewerbungsfoto mit der vertrauten
Buddy-Holly-Brille.
Marie starrte ungläubig auf das Dokument. »Marlon?«
»Wer hätte das gedacht?«
Ben kannte Marlon noch vom Anne-Frank-Gymnasium. Ein kauziger Typ,
der an der Schule genauso ein Außenseiter gewesen war wie er selbst. Sie hatten
kaum miteinander zu tun gehabt, denn Ben hatte mit Marlons schrägem und
überheblichem Humor nicht viel anfangen können. Dieses Forum, in dem es um
alles Morbide ging, passte ganz gut zu ihm, fand er. Der Typ hatte schon immer
einen Knall gehabt.
»Marlon hat also im Internet schlecht über dich geredet?«, fragte
er, obwohl er längst wusste, dass es eine Lüge war. »Und die Jazzband hat er
auch schlechtgemacht? Obwohl er selber mitspielt?«
»Er spielt nicht bei uns mit. Er ist nur der Mischer.« Marie sprach
wie ferngesteuert. »Der ist bei Konzerten und Auftritten dabei. Mit der
Jazzband hat er sonst nicht viel am Hut.«
Dann schwieg sie und starrte auf den Monitor. Ben fand, dass sie
sich noch ein bisschen umsehen konnten, wenn sie nun schon mal auf Marlons
Rechner waren. Zumindest solange der ihre Anwesenheit nicht bemerkte.
Er schloss das Worddokument und sah sich den Ordner genauer an.
Dabei stolperte er über eine Datei, die ihm ein Schmunzeln entlockte:
Passwortliste.doc.
»Das gibt es nicht!«
Er öffnete sie und betrachtete mit einem Kopfschütteln die Tabelle.
In alphabetischer Reihenfolge waren dort Internetseiten aufgeführt, die Marlon
regelmäßig besuchte, daneben die Benutzernamen und schließlich alle Passwörter.
»Siehst du das? Der Typ hat sich eine Liste für seine Passwörter
gemacht, damit er sie nicht vergisst.« Er lachte. »Und zwar richtig schön
spießig in alphabetischer Reihenfolge. Es geht los mit Amazon und Ebay und
endet mit …«
Er stockte. Ganz unten auf der Liste stand: Web-Log, Benutzername:
[email protected], Passwort: brook2010.
Marie durchbrach das Schweigen. »Was ist das?«
Ben lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. »Was hat Marlon
getan, Marie? Es geht doch um mehr, als du gesagt hast.«
Sie nickte. Dann sagte sie: »Er hat Jonas’ Auto mit Eiern
eingeschmiert. Er hat unsere Tuba geklaut und den Anhänger beschädigt. Er …«
Marie zögerte. Offenbar war das noch nicht alles.
»Er hat uns alle betrogen. Ich kann nicht glauben, dass es Marlon
ist.«
»Willst du einen Blick in sein Tagebuch werfen?«, fragte Ben. »Wir
haben die Zugangsdaten dafür.«
Sie starrte auf den Bildschirm. Dann nickte sie.
»Also gut. Aber dafür verlassen wir