Bullet Catcher 1: Alex
Schreibtisch. Ihr Herz schlug so heftig wie seit Jahren nicht mehr. Seit sechs Jahren, um genau zu sein. »Ich habe einen gravierenden Fehler in der Beurteilung eines Menschen begangen«, fuhr sie fort und zog den Stuhl zurück. Dann sah sie die drei Männer an. »Es tut mir außerordentlich leid.«
Alex setzte sich auf und stellte Tasse samt Untertasse klappernd auf den Beistelltisch. Er beugte sich vor, stützte lässig beide Ellbogen auf den Knien ab, obwohl die Wut offensichtlich in ihm brodelte.
»Niemand ist vollkommen, Luce.« Seine Stimme triefte geradezu vor Ironie. »Selbst du nicht.«
Sie verstand den Seitenhieb. »Ich habe ihm vertraut. Schlimmer noch, ich habe mich auf eine Abmachung eingelassen und –«
»Das will ich gar nicht wissen«, fiel Alex ihr ins Wort. »Es geht hier nicht um den Vertrauensbruch zwischen Yoder und dir, Luce. Es geht um das gestörte Vertrauen zwischen uns beiden. Zwischen uns allen.«
Zum ersten Mal widersprach Max Alex nicht. Und Dan rührte sich nicht von der Stelle.
Lucy musste schlucken und nickte. »Ich bin mit Valerie Yoder eng befreundet, und wir haben eine … gemeinsame Vergangenheit.« Sie schloss die Augen. »Ich habe etwas getan, was ich nur selten tue. Habe auf mein Herz statt auf meinen Verstand gehört. Ich hoffe, das wird uns allen eine Lehre sein.«
Nur einmal zuvor war ihr das Gleiche passiert. Abwesend fuhr sie mit den Fingern durch die weiße Strähne.
Die Männer schwiegen. Sie sah jeden Einzelnen an und hob trotzig das Kinn. Die Jungs waren wütend und enttäuscht. Damit konnte sie umgehen. Aber sie wollte das endlich hinter sich lassen. Es lag ihr nicht, über Gefühle zu reden.
»Ich werde diesen Fehler nicht noch einmal machen«, versprach sie ihnen.
»Und was ist mit uns, Lucy?«, fragte Alex. »Können wir dir noch vertrauen? Oder müssen wir uns jetzt jedes Mal bei einem wichtigen Auftrag fragen, ob du und deine Busenfreunde Hintergedanken haben?«
Das einzige Geräusch war der stetige Schlag des Pendels der Standuhr. Sekunde um Sekunde verging, ohne dass jemand etwas sagte. Selbst Dan bewegte sich nicht.
»Das wird nie wieder geschehen«, sagte sie bedächtig und sah jedem von ihnen einen Moment in die Augen. »Ich werde euch nie wieder belügen.«
Max nickte. Dan signalisierte sein Einverständnis mit einem Lächeln. Alex trank seinen Kaffee aus, stand auf und ging.
»Mach dir nichts draus, Lucy!«, sagte Max. »Er ist schlecht drauf. Lass uns weitermachen! Was liegt an?«
Sosehr sie Max’ Einstellung mochte, diesmal musste sie seinen Rat in den Wind schlagen. »Entschuldigt mich«, sagte sie und stand auf. »Ich muss mit Alex reden.«
Sie fand ihn auf der Veranda, den Blick auf die offene Landschaft gerichtet; seine Hände umklammerten das Geländer, und er sog die kalte Luft in vollen Zügen ein.
Du musst lernen, dich zu zügeln, Alex.
Lautlos trat sie näher. »Wirst du uns verlassen, Alex?«
Er fuhr herum und sah sie an. »Du bist wirklich eine verdammte Spionin, Lucy. Ich hör dich nie kommen.«
»Ich kann es dir beibringen«, bot sie ihm an. »Wenn du bei uns bleibst.«
Er drehte sich ganz zu ihr, seine Augen glühten. »Ich musste auf sie schießen. Du hast keine Ahnung, wie schwer das war.«
Oh doch, das habe ich. Lucy nahm seine Hand. »Manchmal muss man unvorstellbar große Risiken eingehen, um seine Klienten zu schützen.«
Er sah sie fest an. »Das war nicht irgendeine Klientin, Lucy. Das war nicht irgendein Job.«
»Du liebst sie«, stellte sie fest.
Er erwiderte nichts.
»Warum kämpfst du dagegen an?«, fragte sie. »Ich habe keine Regeln, die meinen Angestellten verbieten, glücklich zu sein.«
»Wie kommst du darauf, dass sie mich glücklich machen würde.«
»Ich habe gesehen, wie du sie anschaust.«
Er schnaubte. »Wie hast du noch gesagt? ›Ein Prachtweib, intelligent und Maße wie ein Model‹. Wie sollte ich sie denn sonst anschauen?«
»Es steckt mehr dahinter. Du hast die Richtige gefunden.«
»Stimmt genau.« Er lächelte freudlos. »Aber dafür sind wir ziemlich verschieden.«
»Das war bei mir auch so.«
»Wer war es, Lucy?«
»Er ist tot.« Sie drückte seine Hand, als er sie mitleidig ansah. »Schon in Ordnung.« Sicher war es das, sie hatte ihn schließlich erschossen.
»Ich wollte damit nur sagen«, fuhr sie fort, »dass man nicht weglaufen kann, wenn man den richtigen Partner gefunden hat.«
»Ich gehe nach Kuba«, sagte er leise. »Zumindest nehme ich an, dass du mich da
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