Dein Kuss verspricht so viel
1. KAPITEL
Noch fünfzehn Minuten Frieden. Faith Kolanko sah auf ihre Armbanduhr und seufzte. Sie konnte ihre Mittagspause noch ein wenig länger. genießen, bevor sie zu der Hektik ihres Büros zurückkehren musste.
Selbst wenn es so heiß war wie heute, liebte sie diesen abgelegenen Teil des Harrington Parks im Zentrum von Tulsa. Sie ging immer zu derselben Stelle mit den hohen, blühenden Büschen, die sie vom übrigen Park abschirmten.
“Ist es nicht ein herrlicher Tag, Süße?”
Hinter den Büschen war eine kräftige Bassstimme zu hören. Faith nahm an, dass das Paar weitergehen würde, und achtete nicht auf das Gespräch. Ein weiterer Blick auf ihre Uhr zeigte ihr, dass sie noch zwölf Minuten Zeit hatte.
Sie wollte keine Sekunde früher ins Büro gehen. Gestern Abend hatte sie bis zehn gearbeitet, und heute morgen hatte ihr Tag um sechs Uhr begonnen. Sie brauchte Ruhe, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte.
Blätterrascheln und Geräusche von der anderen Seite des Gebüsches erregten wieder ihre Aufmerksamkeit. Sie hörte, dass jemand eine Decke ausschüttelte.
“Sieh dir diesen blauen Himmel an. Ist es zu fassen, was für herrliches Wetter es ist?”
Faith seufzte. Ihre friedliche Einsamkeit hatte leider ein Ende gefunden, also faltete sie ihre Morgenzeitung zusammen, wischte die Brotkrumen von ihrem blauen Rock und glättete ihre blaue Bluse. Das Paar auf der anderen Seite des Gebüsches hatte offenbar vor, noch eine ganze Weile zu bleiben. Sie schloss ihre Thermosflasche und steckte sie in ihre braune Papiertüte.
“Mein Schatz, ich liebe dich so sehr, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.”
Faith runzelte die Stirn, als sie hörte, wie zärtlich die tiefe Männerstimme klang. Der einzige Weg, der von ihrer verborgenen Ecke hinausführte, war ein Kiesweg, der direkt an dem Liebespaar vorbeiging. Sie hoffte darauf, die zwei würden doch noch weitergehen, aber es klang ganz so, als ob sie es sich recht gemütlich gemacht hätten.
“Ich liebe dich.”
Geflüsterte Worte, leise Küsse, Gurren und Seufzer folgten. Faith wollte sich lieber nicht vorstellen, was da gerade vor sich ging. Aber wenn die Frau anfing, vor Wonne aufzuschreien, würde sie, Faith, nicht ruhig sitzen bleiben. Wussten sie denn nicht, dass Leute in der Nähe waren?
Aber offensichtlich war ihnen das egal, denn die zärtlichen Geräusche wurden nur noch lauter. Faith runzelte erneut die Stirn und sah auf die Uhr. Noch neun Minuten, bevor sie ins Büro zurückmusste. Sollte sie sich irgendwie durch einen Laut bemerkbar machen oder versuchen, an ihnen vorbeizuschleichen? Es hatte nicht den Anschein, als ob sie sie bemerken würden oder als ob es ihnen etwas ausmachen würde, selbst wenn sie sie sahen.
“Süße, warte einen Moment. Hier”, sagte der Mann. “Wir ziehen das Kleid aus, ja? Mein Schatz mit den herrlich blauen Augen. Den großen blauen Augen. Was für lange Wimpern du hast! Mein süßes Schätzchen…”
Was brachte vernünftige Erwachsene dazu, in dieser lächerlichen Babysprache miteinander zu reden? In ihrem ganzen Leben hatte Faith mit keinem Mann in dieser absurden Weise gesprochen. Und sie hatte es auch in Zukunft nicht vor.
Die Stimme des Mannes verstummte, und statt dessen waren Geräusche zu hören, die Faith erröten ließen. Sie wollte keinen Moment länger lauschen, wollte aber auch auf keinen Fall an dem Paar vorbeigehen. Irgendwie musste sie jedoch aus ihrem Versteck hervorkommen, um von hier zu verschwinden.
Nachdenklich betrachtete sie die Ziegelwand vor ihr und überlegte, ob sie darüberklettern sollte. Doch in Pumps und kurzem Rock über die Wand zu einem Weg hinunterzuklettern, der die meiste Zeit von sehr vielen Leuten benutzt wurde, war undenkbar. Die einzige andere Möglichkeit, dem Paar auszuweichen, wäre, mitten durch das Gebüsch zu stoßen, doch sie mochte sich kaum vorstellen, wie sie mit Blättern und Blüten im Haar und unordentlicher Kleidung im Büro ankam.
Erneut sah sie auf die Uhr. Zwar hatte sie schon davon gehört, dass Paare im Park miteinander schliefen, aber bisher hatte sie diese Gerüchte eher als unwahrscheinlich abgetan. Ihr selbst waren immer nur Geschäftsleute und einige wenige Touristen begegnet.
Sieben Minuten. Das Gemurmel, Gurren und Gekicher wurde immer peinlicher. Was sollte sie nur tun? Ob die zwei vollkommen nackt waren?
“Oh, Liebling, ich habe dich so lieb! ” flüsterte der Mann. Und wieder folgten Kussgeräusche. “Hm, lecker.
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