Burnout - Auftanken Und Heilen

Der Weg über die Diagnostik führt hier in die Irre. Denn seelische Erschöpfung ist persönlich. Es gibt niemanden, der Ihre Erschöpfung hat, und niemanden, der Ihnen zu hundert Prozent sagen kann, wie groß oder klein oder wie schwerwiegend sie ist. Es gibt keinen, der Ihnen sagen kann, wie Sie aus Ihrer Form der Erschöpfung heraus kommen. Denn genauso wie Sie ein Individuum sind, eine vielschichtige Persönlichkeit, reagieren Sie auch auf Umweltreize und Krankheitserreger ganz unterschiedlich. Selbst bei körperlichen Vorgängen, beispielsweise einer Infektion, über die Sie im Internet im größten Detail nachlesen können, was sie bewirkt, und von der behauptet wird, dass sie bei jedem ähnlich abläuft, gilt, dass diese bei Ihnen einen ganz eigenen, persönlichen Verlauf nehmen wird. Umso mehr gilt das für die seelische Erschöpfung. Wo einer aus einer seelischen Verletzung aus dem Lot kommt, indem er sofort eine Schwäche und Hilflosigkeit entwickelt, rettet sich der andere in Überaktivität, bildet seine Fähigkeit heraus und mag vielleicht viele Jahre später als Spätfolge ausbrennen. Doch er wird ein ganz anderer Mensch sein. Manche Menschen werden durch Druck geformt, andere verformt. Ein Mensch blüht unter Anreizen auf, der andere zieht sich dadurch in ein Schneckenhaus zurück. Woran sich ein Mensch erschöpft, woran er sich abarbeitet und aufarbeitet, ist so persönlich wie er selbst. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass auch die Therapie einer Erschöpfung nie pauschal beschrieben werden kann, sondern einen Weg vorzeichnet, der so individuell sein wird wie Ihre Krankheit und Sie selbst. Das soll aber nicht heißen, dass Sie diesen Weg nicht gehen können, weil alles zu kompliziert ist. Ihr Weg aus der Krankheit ist im Gegenteil ganz einfach und naheliegend, denn alle Antworten, die Sie brauchen, sind in Ihnen schon längst angelegt. Sie brauchen darauf nur zugreifen und Erkenntnisse auch umsetzen. Denn der einzige Mensch, der Ihre Erschöpfung auf Expertenebene verstehen kann, sind Sie selbst, und die einzige Beratung, die Sie brauchen, sind Hinweise in Bezug auf die Hilfsmittel, die Ihnen zur Verfügung stehen.
     
     

Burnout und Arbeit
     
    Bis in das 19. Jahrhundert kannte der Mensch das Problem des Ausgebranntseins aufgrund von schlechten Arbeitsplatzbedingungen kaum. Heute ist ein Burnout am Arbeitsplatz sehr häufig geworden. Und die Erkrankungsziffern nehmen rapide zu. Im Jahr 2010 sind die Kosten für Prävention und Gesundheitsschutz in deutschen Betrieben auf 5 Milliarden hochgeschnellt. Das ist eine Verdopplung innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten. Jedes Jahr ist jeder arbeitende Deutsche 23 Tage wegen psychischer Erkrankung arbeitsunfähig. Viele Betriebe haben das Problem erkannt und versuchen gegenzusteuern. An den Arbeitsabläufen am Fließband beispielsweise kann man wenig ändern. Bei Mercedes Benz in Sindelfingen beispielsweise gibt es den 73- Sekunden-Takt. Das bedeutet für eine Arbeitsgruppe, dass ihnen 73 Sekunden bleiben, um einen Rückspiegel anzubringen, oder eine Stoßstange, oder einen Türgriff. Diese 73 Sekunden sind das Ergebnis eines langen Vorgangs der Kostenoptimierung. Sicherlich war die Herstellung von Gegenständen im vorindustriellen Zeitalter auch nicht ohne Zeitdruck abgelaufen. Doch die Empfindung eines Arbeiters im 21. Jahrhunderts, ein kleines Rad in einer Maschine zu werden – genial dargestellt von Charlie Chaplin in „Modern Times“, wo sein „Tramp“ vom Räderwerk der Maschine verschluckt wird – ist einer der Gründe, wodurch die Hilflosigkeit und Getriebenheit im Inneren wachsen kann, die zu einem Burnout führt. Wenn Sie ein begabter Mensch sind und eine Karriere in einem Großbetrieb anstreben, dann werden Sie in Zeiten der Globalisierung mit einem weiteren Phänomen zu tun kriegen, das ein Burnout provozieren kann: Das Wegfallen von Zeitgrenzen. Irgendwo auf der Welt sind Mitarbeiter immer aktiv, sei es in Asien oder in Südamerika, und schicken emails oder fordern Telefonkonferenzen. Oder Sie müssen dauernd zwischen diesen Kontinenten hin und her fliegen, um Ihre Arbeit erledigen zu können und bekommen es hier mit Jetlag zu tun, der ähnlich wie die Schichtarbeit in Betrieben, die rund um die Uhr mit der Herstellung eines Produktes beschäftigt sind, die Biorhythmen des Körpers, insbesondere die hormonellen Abläufe, stark belasten. So lange Sie sich in Ihren Zwanzigern befinden, sich noch beweisen müssen und ein