Bushido
bedingungslos. Bei vielen mächtigen Staatsoberhäuptern, Diktatoren oder Freiheitskämpfern war das genauso. Irgendetwas müssen sie in den Menschen ausgelöst haben, dass sie ihnen bedingungslos folgten. In jeder Epoche gibt es sie, eine kleine Zahl von Personen, die diese außergewöhnliche Fähigkeit besitzen, Massen zu begeistern.
Als ich in der neunten Klasse war, fand an meiner Schule eine Schulsprecherwahl statt und alle Streber des Gymnasiums hatten sich zur Wahl gestellt. Ich war mit meiner Freundin Katrin noch einen kiffen, deshalb kamen wir zu spät in die Aula. Wir setzten uns auf zwei freie Plätze am Rand und ich schaute mir diese ganzen Vollidioten an, die sich superwichtig vorkamen, nur weil sie eine Eins in Mathe hatten. Das ging irgendwie nicht klar. Sofort griff ich Katrins Hand und blickte ihr tief in die Augen.
»Weißt du was?«, sagte ich stolz und hob meine Brust. »Ich werde jetzt Schulsprecher!«
Katrin schaute mich nur ungläubig an und dachte, ich wollte sie verarschen.
»Hast du zu viel gekifft oder was?«, lachte sie mich aus.
»Nein, im Ernst. Wenn du willst, gehe ich jetzt nach da oben und werde Schulsprecher. Das ist doch kein Problem!«
Tommy, einer dieser Hardcore-Streber, saß neben uns und bekam mit, was ich zu Katrin sagte.
»Na los, Angeber. Lass dich nominieren, wenn du dich traust«, rief er abfällig zu mir rüber.
Dieser Hurensohn! Ich überlegte noch, ob ich ihn schlagen sollte, als Katrin auch noch Öl ins Feuer goss.
»Geh doch hoch, geh doch hoch! Machste eh nicht«, stichelte sie von der Seite und boxte mich liebevoll in den Bauch.
Sie ließ mir keine Wahl. Ich stand auf und ließ mich nominieren. Zuerst lachten mich alle voll krass aus und schüttelten den Kopf. »Was hatte der asoziale Trottel dort oben bei all den Schlaubis verloren?«, dachten sie sich bestimmt. Mir war das egal.
Jeder Kandidat musste eine Rede halten. Als ich dran war, schnappte ich mir das Mikrofon und quatschte einfach drauf los. Ich redete irgendein sinnloses Zeug. Ich hatte noch nicht mal ein Konzept. Eigentlich war es genauso wie heute, wenn ich auf der Bühne stehe. Na ja, was soll ich sagen? Eine Stunde nach meiner Ansprache war ich Schulsprecher unserer Oberschule. Ich wollte diesen Eierköpfen einfach nur beweisen, dass ich cooler war als sie.
Was sagt uns das? Glaube an dich und du kannst alles erreichen, was du willst. Lass dich von keinem Idioten vollquatschen und glaube nicht alles, was in der Zeitung steht. Bilde dir deine eigene Meinung, und wenn du denkst, dein Lehrer redet Unsinn, dann sag es ihm einfach. Hätte ich mein Leben lang die Eier von irgendwelchen Spasten geleckt, die meine Vorgesetzten waren, dann wäre ich heute überall – nur nicht da, wo ich gerade stehe.
Die Zeit ist reif für meine Geschichte. Ach ja, falls ich irgendwem damit auf die Füße treten sollte, bitte nicht persönlich nehmen. Falls doch, gebe ich euch noch einen kleinen Tipp mit auf den Weg: Lest das Buch erst mal in Ruhe zu Ende. Ihr werdet schon merken, warum. Also, hauta rein…
Von der Straße zum Richter zurück
Ich hatte nie die Absicht, ein Dealer zu werden. Für ein Gramm Zero-Zero 20 Mark zu bezahlen, fand ich auf Dauer aber einfach zu teuer. Das musste man doch auch anders organisieren können, dachte ich, setzte mich mit Stift und Papier an den Küchentisch und rechnete nach. Würde ich beim Großhändler 50 Gramm Dope kaufen und nur 30 Gramm davon zum Straßenpreis weiterverkaufen, hätte ich meine Auslagen wieder raus und könnte die restlichen 20 Gramm praktisch umsonst smoken. Perfekt! Endlich machten mir meine Mathe-Hausaufgaben auch mal Spaß.
Wie es sich für einen wohlerzogenen Sohn gehörte, fragte ich natürlich vorher bei meiner Mutter um Erlaubnis. Nicht ganz ohne Hintergedanken, denn ich brauchte schließlich etwas Startkapital für mein kleines Unternehmen und wollte sie dazu bringen, mir die ersten 50 Gramm zu sponsern. Wir saßen am Küchentisch, wie immer, wenn es etwas zu bereden gab, und ich kam direkt zur Sache.
»Mama, ich brauche Geld!«
»Wofür denn, mein Junge?«
»Ich möchte Drogen verkaufen«, versuchte ich ihr die Situation ganz sachlich zu erklären. Doch ganz so einfach, wie ich dachte, war es dann doch nicht.
Meiner Mutter schlief das Gesicht ein, als sie meine Worte hörte. Sie saß wie versteinert auf ihrem Küchenstuhl und konnte nicht so recht glauben, was ihr Sohn da gerade erzählte. Ich nutzte die Gelegenheit und rasselte
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