Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
möchtest? Ich mag dich gar nicht alleine lassen.«
Emily und Thomas wollen Weihnachten bei ihm zu Hause verbringen, und ich würde lieber sterben, als mich dieser jungen Liebe heute Abend aufzudrängen.
»Nein, vielen Dank«, sage ich darum. »Du weißt, dass ich heute Abend alleine sein möchte. Ich gehe in die Kirche und dann esse ich zusammen mit Jojo ein bisschen was und mache die Glotze an. Also ein richtig gemütlicher Abend, kein Problem, wirklich nicht.«
Meine fröhliche Stimme scheint sie zu beruhigen.
»Frohe Weihnachten, Maja. Und morgen Nachmittag komme ich vorbei.«
»Aber wir haben doch bis nach Silvester geschlossen.«
»Ich weiß, aber ich komme morgen trotzdem, ob du willst oder nicht. Oder denkst du, du kannst die Weihnachtstorte ganz alleine aufessen?«
»Frohe Weihnachten, liebe Emily.« Ich nehme sie fest in den Arm und winke ihr noch nach, bis sie um die Ecke verschwunden ist.
Später öffne ich Leons Umschlag. Er hat eine rührende Weihnachtskarte geschrieben und ein Foto von uns beiden vom Sommer mit hineingelegt. Dieser Leon. Er schlägt vor, Silvester und Neujahr zusammen am Arlberg zu verbringen, er kenne da ein tolles Hotel, wo man sich so richtig verwöhnen lassen könne. Man kann ihm jedenfalls keinen Mangel an Hartnäckigkeit vorwerfen. Mit Tesa klebe ich die Karte zu den anderen an die Tür, wo sie mir jeden Tag die schönsten Ausblicke auf Weihnachten bieten. Dann ziehe ich meine dicke Daunenjacke an, und Jojo und ich drehen eine große Runde am See. Der Himmel ist grau und dunkel und sieht an manchen Stellen leicht rosa aus. Es könnte sein, dass es schneien wird heute Abend. Ich weiß noch, wie glücklich Nini immer war, wenn es an Heiligabend geschneit hat. Heute vermisse ich sie besonders, aber sie hat leider keinen Flug mehr bekommen, stattdessen kommt sie morgen schon gegen Mittag. Was sie wohl zu unserer ›Butterblume‹ sagen wird? Als ich wieder zu Hause bin, dusche ich und schminke mich. Dann ziehe ich mein schönes, grünes Kleid an. Warum eigentlich nicht? Schließlich ist Weihnachten.
Brrr, im Auto bereue ich es schon. Ich hätte in die Kirche den dicken Pulli und die Jeans anziehen sollen. Der Gottesdienst ist wie immer sehr feierlich, und endlich bin ich auch ein wenig in Weihnachtsstimmung. Ich danke Gott für alles Glück, was ich in diesem Jahr erfahren durfte, und spreche noch ein kleines Extra-Gebet für meine Lieben einschließlich Frieda.
Als ich aus der Kirche komme, hat es leicht zu schneien begonnen und die Flocken fallen sachte auf den kalten Boden. Das könnte glatt werden, darum fahre ich besonders langsam. Warum soll ich mich beeilen, schließlich wartet außer Jojo ja niemand auf mich.
Bevor wir beide nach oben gehen, bereite ich Jojos Futter in der Küche und gieße mir selbst ein großes Glas Rotwein ein. Ich zünde alle Lichter im Gastraum an und lege die CD ›Silent Night‹ von Mahalia Jackson ein, nur um mich selbst noch ein wenig daran zu erfreuen. Wie schön die ›Butterblume‹ geworden ist. Stolz blicke ich mich um. Mein Traum. Er ist wahr geworden, ich kann es immer noch nicht glauben. Ich sehe aus dem Fenster und beobachte den Schnee, der in den Garten fällt. Wie schnell dieses Jahr vergangen ist. Und was ist alles geschehen. Wenn mir Anfang des Jahres jemand gesagt hätte, dass ich am Ende hier ein Café betreibe, ich hätte es nicht geglaubt. Da war ich noch bei Herrn Aschenbrenner angestellt und habe mich von ihm schikanieren lassen. Ich sehe hinüber zum Steg, der mittlerweile voll mit frisch gefallenem Schnee ist, und denke an Christian. Warum habe ich ihn nie wieder gesehen? Ich hatte geglaubt, ihm hätte unsere gemeinsame Nacht ebenso viel bedeutet wie mir. Aber das war wohl ein Irrtum … Ich bin trotzdem froh, dass ich auf Friedas Anraten meinen Traum umgesetzt habe, auch wenn ich den Pachtvertrag zunächst zerreißen wollte. Die gute Frieda. Ohne sie wäre ich wohl kaum hier. Tatsächlich sehe ich in diesem Augenblick wieder eine Möwe auf dem Steg.
»Frohe Weihnachten, Frieda!«, proste ich ihr zu. Wahrscheinlich drehe ich langsam durch.
Außerdem höre ich die Türklingel, und das kann nun wirklich nicht sein. Die Tür zum Café ist abgeschlossen, und privat erwarte ich am heutigen Abend niemanden.
Doch es klingelt noch einmal, und es bleibt mir nichts übrig, als mit Jojos Unterstützung nachzusehen.
»Frohe Weihnachten, Maja.« Draußen steht meine Mutter, leicht verschneit und bis über die Ohren strahlend.
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