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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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gestanden - versunken meditierend über die Vielzahl von reitenden Plastikindianern, die seit neuestem auf dem Markt sind.
    Ich habe nämlich nie aufgehört, mich um die Entwicklung auf diesem Sektor der Spielwarenindustrie zu kümmern - nie! Ich kann sagen, daß ich der glückliche Besitzer der achten oder neunten Generation von reitenden Plastikindianern bin, seit ich meine erste Gruppe vor siebenundzwanzig Jahren geschenkt bekommen habe - und seitdem war ich stets auf dem neuesten Stand der Innovation.
    Das heißt - um ehrlich zu bleiben - es gab eine Pause von zweieinhalb Jahren während meiner Ehe mit Susanna - in dieser Zeit war ich meinen Indianern sozusagen mehr geistig verbunden als durch die Tat des Aufbauens auf dem Küchentisch.
    Susanna wollte das nie so wirklich haben auf ihrem Tisch und - irgendwie kann ich es auch verstehen, denn, ich stelle meine Indianer nicht nur einfach so hin - nein, nein -, ich schütte fünf Kilogramm Sand auf und forme richtige Dünen mit Wäldern und Felsen, und da hinein stelle ich dann die -Nun gut - lassen wir die Details - sie mochte es nicht, und ich habe nachgegeben.
    Zwei Monate nach unserer Scheidung habe ich dann beim Auspacken meiner Kisten die alten Kartons wiedergefunden und sofort ein herrliches »Little Big Horn« aufgebaut. Ich habe nämlich selbstverständlich auch amerikanische Kavallerie - gegen irgendwen müssen sie ja siegen, meine tapferen Reiterscharen.
    In dieser Nacht ist etwas mit mir geschehen - ich weiß es noch ganz genau -, ich bin dagesessen - stundenlang bin ich am Boden an der Wand gesessen und habe auf das »Little Big Horn« geblickt. Es lag ein wunderschönes, warmes Licht über der Szene - ich hatte Kerzen angezündet und sah den flackernden Schatten zu, die über den Boden tanzten - und auf einmal sagte eine Stimme in mir: »Wer mich liebt - der liebt mich ganz.«
    Dieser Satz klingt so einfach und klar, daß man nicht so schnell erkennt, was er für mich bedeutet. Ich meine, wer mich liebt, der liebt auch das, was er nicht versteht - was er nicht einsieht und nicht begreift.
    Es ist ja nichts leichter, als einen Hamsterzüchter zu lieben, wenn man selber Hamsterzüchter ist - aber bei Anakondazüchtern wird es für den Hamsterliebhaber schon etwas steil - aber das ist genau der Punkt, an dem es sich entscheidet - das Schicksal sendet uns nämlich oft Anakondazüchter, die etwas in uns lieben muß, obwohl wir Anakondas auf den Tod nicht ausstehen können. Das aber ist die Prüfung, das ist die Weggabelung - das ist die Frage, um die es wirklich geht -kann Liebe das erfassen, was man nicht begreift - ich sage »ja!«, denn ich bin ein hemmungsloser Idealist und mein Hamsterkäfig ist aus anakondabißfestem Glas.
    In der Folge ist jedermann klar, was es für mich bedeutete, daß Susanna meine kleinen Krieger nicht mochte
    - es war ein Zeichen für das Ganze, es war der Haarriß in einem Damm, der nur durch das Mikroskop zu erkennen ist und von dem der Laie sagen würde: »Ach, dieser kleine Riß - das hält dieser Damm schon aus.«
    »Nein«, antwortet der Wissende - »er hält es nicht aus
    - denn wo ein Haarriß ist, entsteht bald auch ein zweiter - ein fünfter - ein zweiunddreißigster - und eines Tages ist es dann unwiederbringlich soweit, und das ganze Gebäude stürzt zusammen.«
    Es wäre falsch zu sagen, daß meine Ehe wegen meiner Indianer gescheitert ist - das wäre Unsinn.
    Nein - sie ist nicht daran gescheitert - aber auch dieser Punkt war einer von vielen, an denen man eine Hochrechnung vornehmen konnte.
    Ich möchte es auf eine kurze Formel bringen: »Ein Sandkorn im Auge des Weisen sagt ihm - ein Strand ist in der Nähe« -
    Und dieser Strand war das Hindernis, an dem der Kiel meiner Ehe aufgeschlitzt wurde.
    Ich stand also vor diesem Geschäft und spürte plötzlich, daß ich nicht allein war. Ich fühlte ganz deutlich, daß mich jemand beobachtete, und drehte mich um -da war aber niemand - links von mir - rechts von mir
    - und auch hinter mir absolut niemand.
    Ich werde alt - dachte ich - und blickte wieder in die Auslage, als ich sie plötzlich sah -Sie stand in dem Geschäft und lächelte zu mir hinaus. Durch die Regale mit Rennbooten und Stoffkatzen und automatischen Seilbahnen lächelte mir dasselbe Gesicht entgegen, das mir jetzt am venezianischen Bahnhof gegenübersitzt und schweigt.
    Ich stand vor meinen Indianern und dachte mir: »Warum lächelt sie so« - und war etwas verwirrt von diesem direkten Zeichen und auch

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