Butterbrot
einem Sessel sitzen können.
Und vielleicht hätten wir uns entfalten können in gelassener Freude über die Spannweite des anderen -wenn wir geahnt hätten, daß »Flügel haben« nicht gleichbedeutend ist mit - »Fluchtvorbereitungen treffen«.
Im Gegenteil, sage ich, und ich weiß, wovon ich rede, denn mein Schutzengel lächelt schon wieder.
Ach ja - »Wer Freiheit schenkt, gibt Liebe« - ein netter Satz, aber er funktioniert nur, wenn das Leben in Angstfreiheit gelebt werden kann. Und da Angstfreiheit schon im Kindergarten vom Lehrplan gestrichen wird, könnte man an schlechten Tagen im November, wenn Tiefdruck herrscht, fast ein wenig in die Knie gehen.
Nicht so hier -nicht so heute -nicht so in Venedig -
Nicht an diesem Tag, an dem die Chance für einen Neubeginn so blauperlend durch die Herzen gleitet wie diese herrlich kitschige Kette durch meine suchenden Hände.
Wenn es nämlich irgendeinen Sinn hat weiterzuleben, dann doch nur den, um aus Irrtümern zu lernen und kein Wiederholungstäter zu sein, der den Wahn der Gewohnheit mit dem Glück der Ewigkeit verwechselt.
Man sollte diesen Verirrten Brillenputzmittel zur Verfügung stellen und ihnen eins hinter die Ohren pfeffern, damit sie aufwachen und sich der Erkenntnis stellen, daß sie in einer Minute tot sein könnten - erschlagen durch eine vom vierten Stock beim Fensterputzen abgestürzte Rentnerin, die gar nicht weiß, wie ihr geschieht.
Nach so einem Erlebnis hat es nämlich für den Astralleib überhaupt keinen Sinn mehr, verzweifelt über dem Geschehen zu schweben und den Notarzt zu beobachten, der die verblichene eigene Hülle zudeckt und abtransportiert -
Da kann man dann hundertmal beteuern, daß man in der Rente eigentlich hätte anfangen wollen an der Weisheit zu arbeiten - jetzt ist jetzt, und jetzt kann gleich wieder vorbei sein, also gibt es keine Ausreden auf später - sonst muß man eine neue Reinkarnationsrunde antreten und kommt vielleicht zur Strafe als Goldfisch zur Welt - was wirklich nicht abendfüllend ist.
»Hinweg, ihr taumelnden Spießgesellen - klebrige Polypenarme zu überwindender Kulturgeschichte -des Menschen edelste Aufgabe ist es, sein Karma zu brechen - ein Feigenbaum für schattige Anläufe zu diesem Sprung findet sich immer irgendwo - wenn auch oft in verborgener Gestalt.
Aber das ist es doch, was Buddha uns sagen wollte, als er schrieb: Kein Tramezzino ist zu gering, um nicht das Lächeln des Allerhöchsten in sich zu bergen.« Sinnend schritt ich weiter und steckte die blaue Perlenkette in meine Hosentasche.
Ich fühlte mich wieder um eine Haaresbreite größer und um ein Engelsgramm leichter. Aus den Geschäften taumelten konsumberauschte Ebenbilder Gottes, bei denen die Konturen nur etwas unscharf geworden waren, um gleich darauf in die nächste Fangreuse für reisende Geldspuckerheringe zu flitzen, in denen sie die noch fehlenden Kappen und T-Shirts anramschten, auf denen zu lesen stand, wo sie sich eigentlich befanden.
Immer wieder aber sah ich auch zu meiner großen Freude Menschenpaare, die mit einem anderen Blick und mit einer anderen Aufrichtigkeit durch das Gewoge ihre Bahn zogen.
Verliebte Menschenkinder, die von einem Paar lächelnder Begleiter beschützt waren, die meinem Helfer immer dann zulächelten, wenn wir aneinander vorbeischritten.
Schwebende Herzen, die auf der Suche nach einer besseren Welt einen anderen gefunden hatten, der dieselbe Absicht in sich trug, ohne es zu wissen.
Es gibt nämlich eine geheime Türe aus dem Tanzsaal der Überflüssigkeiten, die mit einem rötlich aufflammenden Lichtschild gekrönt ist, auf dem alle zwei Sekunden ein Wort auftaucht, und dieses Wort heißt »Liebe«.
Die Liebe ist nämlich eine Himmelsmacht, die als Steigbügel gedacht ist, um die Verwirrungen des Erdenlabyrinthes hinter sich zu lassen -Es ist nämlich nicht so, daß die Verliebtheit die Welt in unrealistischen Farbtönen zeigt, die mit dem Sinken der Sonne schon wieder zu fahlem Grau werden sollen
- nein - sie zeigt uns vielmehr die größte aller Realitäten, die es gibt - und an unseren kleinmütigen Hirnen liegt es, zu glauben, das sei nur ein rosaroter Traum, der nicht praktisch erlebbar ist.
Er ist praktisch erlebbar, und er ist der einzige Sinn auf dieser Welt - eröffnet zu werden durch den Sonnenstrahl der Liebe, die erleichternd, erheiternd, erlösend, Verständnis erweckend, Freiheit schenkend, Grenzen überwindend, Einigkeit schaffend in unser Leben eintreten kann - wie ein
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