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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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Florett genau in diejenige Herzgegend, in die auch Susanna und ich uns immer gegenseitig getroffen hatten - worauf ich, wie damals vor dem Hochschulportal, röchelnd in die Knie ging, um zu verenden.
    Einige letzte Theaterbesucher drehten sich im Nachhausegehen befremdet nach uns um - aber sie waren sich nicht sicher, ob jener überschäumende Knabe dort tatsächlich jener seriöse Held der Kultur war, dem sie eben noch zuapplaudiert hatten. Ich weiß nicht, ob ihr Jubel so einstimmig gewesen wäre, wenn sie gesehen hätten, daß einer, der den Othello spielt, sich im Anschluß daran aufführt wie jemand, der noch das tut, wo ihn die Lust am Leben gerade hintreibt.
    Uns trieb unsere Lust in dieser Nacht durch die ganze Stadt.
    Wir besuchten sieben verschiedene Lokale, die alle länger als bis drei Uhr früh offen hatten, und ich war erstaunt zu sehen, wie viele davon in der Zeit entstanden waren, in der ich ehemannsmäßig immer um dreiundzwanzig Uhr ins Bett gekollert war, um ein schlechtes Buch zu lesen.
    Ich benahm mich so gesittet wie möglich und trank genauso wie Stefan nur Mineralwasser, um die Schaukel unserer Empfindungen nicht mit einem kleinen, lila Affen einseitig zu beschweren - mußte allerdings zu meiner Beklommenheit feststellen, daß ich doch in steigendem Maße an einen doppelten Whisky zu denken begann, je früher der Morgen wurde.
    >Na ja<, sagte ich so gegen vier Uhr früh - >und was ich jetzt tue, ist, im Hotel leben und etwas zu viel trinken^
    Ich hatte begonnen, ihm mein Leben der letzten Jahre zu erzählen, und auf irgendeine mysteriöse Weise hatten sich dabei alle Schleusen geöffnet, die einem die Selbstdisziplin vor den Mund baut, damit man sich nicht allzu deutlich sagen hört, was man denkt.
    Ab diesem Moment kann man sich nämlich nicht mehr belügen, weil - gesagt ist gesagt. Darum reden die Leute auch nicht mit sich selbst, um keine Konsequenzen ziehen zu müssen aus der Wahrheit, die nur darauf wartet, endlich einmal angehört zu werden -Vielleicht war es nicht nur der Zauber der frühen Stunde, der mich so zum Beichten verführte, sondern auch die unbewußte Ahnung, daß ich Stefan ja nur ein paar Stunden sehen würde und meine Bekenntnisse also keine tiefgreifenden Folgen haben würden.
    >Ich sehe es< - sagte er leise und etwas traurig und in einem Ton, der mir den Boden unter den Füßen weg-zog, wie der Henker den Schemel wegtritt, auf dem der zu Erhängende steht.
    >Ich sehe, daß du trinkst und daß du unglücklich bist! < Ich weiß nicht, warum ich mir diese Dinge so direkt von ihm habe sagen lassen - das heißt - ich weiß es schon. Er sagte mir nämlich alles, was er meinte, nicht in diesem fürchterlichen Therapeutentonfall, der zwischen den Menschen so oft herrscht, wenn es einem anderen dreckiger geht als einem selbst und man sich an dem, der in die Knie gegangen ist, mit so einem belehrenden Tonfall sogar ein wenig abputzen und aufrichten kann unter der Tarnung der gut gemeinten Empfehlungen.
    Er war meilenweit von dieser üblichen subtilen Grausamkeit entfernt und saß mir als Mensch gegenüber, der selbst daran mitleidet, daß einem anderen Menschenbruder das Gehen zum Gipfel zu mühsam geworden ist.
    Ich hatte ihn eigentlich genauso in Erinnerung und konnte mir daher an diesem Morgen langsam eingestehen, daß ich ihn aus eben diesem Grunde angesprochen hatte.
    Es war mir wirklich egal, wie gut oder nicht gut er Desdemona die Leber transplantieren konnte-was ich gesucht hatte wie ein Zuckerkranker die Insulinspritze, war dieser Ton der Gemeinsamkeit, den wir in unserer Jugend immer auf unsere Instrumente gespannt hatten und über dem ich in dieser Nacht sogar meine Würstchen vergessen hatte.
    >Du solltest heute nacht ausnahmsweise nicht im Hotel übernachten< - sagte er so gegen halb fünf Uhr früh, als wir durch einen stillen, feuchten Park wanderten und rastenden Enten einen unvorhergesehenen Panikanfall verursachten.
    >Und wo sollte ich deiner Meinung nach hingehen?< -sagte ich, als wir über eine kleine Holzbrücke schritten, die einen langsam gleitenden Bach überspannte und unsere Schritte aufmerksam zählte.
    >Na, du kommst einfach zu mir< - sagte er, als wäre das das Selbstverständlichste von der Welt.
    >Aber deine Frau - und ich - ich meine - so unangemeldet, oder -?<
    >Wer in Dreiteufelsnamen hat dir erzählt, daß ich verheiratet bin?!<
    >Niemand.<
    >Und wieso sollten wir dann unangemeldet kommen, wenn ich überhaupt nicht verheiratet bin?! <
    >Du bist

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