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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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prächtigen Schauspiel stattfand, das da hieß: »Die Möglichkeit einer besseren Zukunft auf Erden« oder - »Die Tarnung des Osterhasen ist durchschaubar«.
    Letzten Endes rufen ja wirklich nur diejenigen Aussagen von Menschen Harmonie oder Krieg hervor, die jenseits der Worte stehen, die sie sich zur Täuschung zurufen und hoffen, der andere sei beschränkt genug, nicht die Wahrheit zu fühlen.
    Diese teuflische Trennung von Wort und Erlebnis ist es, die die Frauen den Männern glauben läßt, die einundneunzigmal hintereinander »Ich liebe dich« sagen, aber in Wirklichkeit meinen: »Deine Beine machen mich rasend, meine Süße«, und weil ja das Genießen zwischen zwei Menschen nur dann erlaubt ist, wenn es den heiligen Segen der Schizophrenie erhält, muß man eben einundneunzigmal Voodoo-Formeln stammeln, um das zu erreichen, was sie genauso möchte, nur nicht so schnell zugeben darf - weil sie doch eine ehrbare Person ist. Wie schon erwähnt, dient das aber nur der Steigerung gegenseitiger Verachtung, weil beide Spieler tief drinnen wissen, wie gezinkt ihre Karten sind und daß sie die heiligsten Äußerungen der Menschheit pervertieren, indem sie sie als Wellenbrecher für Handlungen benutzen, die ja ohnehin stattfinden müssen, weil der Mensch ja sonst an Libido-Stau zugrunde gehen würde wie ein Sumpfbiber in einem überfluteten Damm, bei dem er die Schleusen vergessen hat.
    Es scheint eine Weltverschwörung zu geben, die schönsten und einfachsten Erlebnisse mit einem Turm zu Babel absichern zu müssen, von dem man jedesmal hofft, in der eigenen, persönlichen Geschichte würde er nicht zusammenbrechen. Außerdem will man ja nicht so sein wie die Tiere, die sich einfach ihren Impulsen hingeben und mit glänzenden Augen und ungebrochenen Herzen das erleben, was ihnen Gott der Allmächtige vorschlägt, und frei von Neurosen und Perversionen und Eispickeln im Rückgrat essen, trinken, brüllen und Kinder zeugen.
    Warum will man das eigentlich nicht? Ich werde das Harvey einmal bei Gelegenheit fragen, oder meinen Schutzengel oder den lieben Herrn Lehrer oder -Maria!«
    »Maria - was hindert die Menschen daran, einfach glücklich zu sein - aber wirklich - du verstehst, was ich meine.«
    »Vielleicht, weil wir glauben, wir hätten eine Ewigkeit Zeit für überflüssige Spiele - ich weiß nicht?«
    Sie sagte zwar aus ihrer bewundernswerten Bescheidenheit heraus: »Ich weiß nicht« - ich wußte aber, daß sie genau wußte, daß sie recht hatte.
    Es ist der Aberglaube, daß man nie zu dem Punkt kommen wird, an dem man vor der Himmelstüre steht und Petrus uns fragen wird: »Und - hast du ein Leben im Streben nach Wahrheit geführt, oder hast du nur ein B-Movie gedreht, für das kein ordentliches Drehbuch vorhanden war -?«
    »Na ja« - sagt man dann verlegen - »vielleicht das nächste Mal.«
    Resigniert wird uns der arme Petrus dann wieder eine Talfahrkarte lösen, und dann steigt man zu einem neuen Durchgang in die Rennbahn.
    Das Dumme an der Angelegenheit ist nur, daß dieses Gespräch mit Petrus aus unserer Erinnerung gelöscht wird und auch das Wissen darum, wie oft wir hier unten schon versucht haben, die Vorhänge beiseite zu schieben, die vor der Terrassentüre hängen, die auf die Weiten der Ehrlichkeit hinausführt.
    Das heißt - Gott sei Dank weiß es unser bewußtes Denken nicht, denn das würde ja vielleicht zu Konfusionen führen, wenn man bei jedem Schritt, den man tut, mitschwingen lassen muß, daß man schon ein Krokodil war und ein hunnischer Koch im Trosse Attilas oder eine Netzknüpferin auf Hokkaido. Wahrscheinlich ist das Nichtwissen dieser Dinge eine Art Schutzgitter, hinter dem wir den Zoo unserer erlebten Leben versammeln - aber der innere Seelenteil in uns, der sich diese verschiedenen Mäntel immer wieder angezogen hat, der weiß genau, warum er wieder einmal hinunter zur Erde mußte, und übt mit seinem neuen Gerät den Weitsprung im Hintersichlassen überflüssiger Programmierungen.
    Ich bin eben ein hoffnungsloser, unromantischer Idiot, dem die unsentimentale Offenheit der Frau, mit der er einen Augenblick seines Lebens teilt, lieber ist als das Heißblütige, Temperamentvolle. »Ich habe sie doch so geliebt« - Schluchzen eines Ehemannes beim Anblick seiner Frau, die er am Wochenende erwürgt hat, weil sie ihn bei der Fußballübertragung gestört hat.
    Ich brauche nichts, was Leiden schafft, und »Schönsinn« ist für mich ein weit himmlischeres Wort als »Wahnsinn«! - Und wenn

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