Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
Vom Netzwerk:
Geheimnisse befindet. Verdammt - dieser Frau kann man eben kein X für ein U vormachen - dachte ich und war unendlich froh darüber, daß das so war, denn nichts ist schöner im Leben, als mit jemandem einen Weg zu gehen, der seine eigenen Augen benutzen kann und nicht auf Äußerlichkeiten hereinfällt.
    Eine dieser Äußerlichkeiten war meine körperliche Anwesenheit am späten Nachmittag im Café Florian, was diese Frau jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, daß meine inneren Hauptsächlichkeiten auf Nebenwegen des Blumengartens dahinschlenderten, dessen Düfte wir einander erzählten.
    »Aber jetzt - da du wieder bei mir bist, kannst du mir doch vielleicht sagen, was das mit dir und Stefan war. Ich meine, wie geht die Geschichte weiter, wie habt ihr eure ... wie habt ihr ... ich meine - habt ihr es irgendwie genannt?«
    »Wir - wir haben >Glücksfall< dazu gesagt, und wenn es irgend etwas auf der Welt verdient, >Glück< genannt zu werden, dann ist es der Umstand, daß wir einander gefunden haben, um uns gegenseitig zu helfen, den besten Tritt und den besten Griff zu tun, der aus dem Gefängnis der Pflichterfüllungen herausführen kann. Nachdem ich dir jetzt schon eine Ewigkeit mit meinen Erklärungen in den Ohren liege, was für mich das Wort >Liebe< bedeuten könnte - kann ich mir jetzt auch erlauben zu sagen: >Wir lieben einander< - ohne Angst zu haben, daß ich jetzt eine Lawine von Irrtümern losgetreten habe.«
    »Hast du nicht -«
    »Gut - das ist gut ... Wir lieben einander nämlich wirklich in dem Sinne, daß wir ununterbrochen neugierig darauf sind, welche Entwicklungen die befreundete Seele als nächstes durchmachen wird, und diese Neugier und diese geduldige Aufmerksamkeit haben uns geholfen, nicht stehenzubleiben, sondern weiterzuüben, damit wir der siebzehnköpfigen Schlange mehr als nur einen Kopf abschlagen können.
    Wir haben uns gegenseitig ununterbrochen Mut gemacht, >dumm< zu sein und >lächerlich< zu sein und >kindisch< zu sein und uns nicht dafür zu schämen, daß wir um zwei Uhr früh an den Eiskasten gehen, um den restlichen Pudding aufzuessen, der dort noch herumsteht.
    Alles das, was man glaubt, nicht mehr zu dürfen, wenn man ein seriöser, ernst zu nehmender Mann geworden sein will - alles das wiederzuentdecken, war das oberste Klassenziel in unserem Kloster.
    Wir waren wirklich fast wie Mönche in den ersten Monaten unseres gemeinsamen Zeltlagers auf der Waldlichtung der Glückseligkeit, weil wir viel zu sehr damit beschäftigt waren, erst einmal mit uns selbst schlafen zu lernen, bevor wir dazu eine zweite Person unter unsere Decke gelassen haben.
    Mein Gott, wieviel Sehnsucht habe ich danach gehabt, stundenlang in meiner Sammlung originaler Donald-Duck-Hefte zu blättern und Zitate von Tick, Trick und Track auswendig zu lernen, die ich dann mit Stefan in endlos kichernden Dialogen im Badezimmer ausprobieren konnte, weil ich entdeckt hatte, daß er sich die gleichen Textpassagen seit seiner Bubenzeit gemerkt hatte. Alles, was uns gefallen hat, war erlaubt - Hauptsache, wir konnten uns selbst gegenüber beweisen, daß wir etwas wirklich haben wollten und es nicht nur der Kompensation dienen sollte - der Kompensation: jener Kreuzspinne auf dem Netz der kulturellen Aktivitäten, in das die ungebremsten Impulse sich verstricken wie hilflose Admiralsfalter.
    Vor jedem Zuckerhütchen, das wir über die Finger unserer spielenden Hände streiften, haben wir uns immer gefragt: >Kompensation - ja oder nein?< - und wenn die Antwort >nein< war - durfte man naschen ohne ängstlichen Blick in den Spiegel der Meinungen, die andere über uns haben mochten.
    Ich glaube, daß diese Gemeinsamkeit auch für ihn ein großes Glück bedeutet hat, weil er zwar in seinem Leben noch nie in so eindeutige Selbstfallen getappt war wie ich - gleichzeitig hatte ihn seine Art, sich nicht an den Verirrungen der herrschenden Meinung zu beteiligen, sehr einsam gemacht.
    Es ist auch nicht so leicht, einen Menschen zu finden, wenn man weder bereit ist, mit Männern über Frauen zu schimpfen und kautabakspuckend an Rodeos der traditionellsten Art teilzunehmen - oder mit Frauen
    Männlichkeitsprojektionen durchzuhecheln, die wir schon in der ersten Stunde der ersten Klasse als erledigt abgehakt hatten. Kurz gesagt - er war einfach nicht mehr bereit, den Bauch einzuziehen, wenn er am Strand entlangspazierte und ein hübsches Mädchen vorüberlief. Obwohl er überhaupt keinen Bauch hat, was ich an dieser Stelle zu

Weitere Kostenlose Bücher