Butterschmalz zum Fruehstueck
früher gesagt hat, dass das Erbrechen ein ganz besonderes Privileg wäre, findet mein Wohlbefinden völlig logisch. Ich hätte mich schließlich beschwert, dass vieles zum Kotzen wäre, und das ist jetzt raus. Nicht nur körperlich, sondern auch mental habe ich mich mit den Umständen angefreundet. Die Inder sind halt neugierig. Wenn sich zwei fremde Hunde begegnen, müssen die sich auch erst mal beschnüffeln. Nur dass der indische Hund gar nicht auf den Gedanken kommt, dass der europäische Hund gar nicht beschnüffelt werden möchte. Nachdem man die wichtigsten Eckdaten getauscht hat (Name, Familienstand, Kinder, Herkunftsland), trollen sich die meisten wieder. Dem Schneider zwei habe ich mittlerweile ganz freundlich klar gemacht, dass ich ihm nichts abkaufen werde, worauf er ziemlich sauer verschwand. Und die ganzen Scheißhaufen … na ja, wir sind halt in Indien.
Ich muss das alles nur drei Wochen aushalten, andere hingegen ein Leben lang. Hinzu kommt, dass man immer unter Beobachtung steht. Am Tag vor meiner Abfahrt nach Indien habe ich mir noch einen seichten zeitgenössischen Roman einer indischen Autorin gekauft, ein angeblich lustiges Buch à la Gaby Hauptmann. „Du musst nicht glücklich sein, nur verheiratet“ von Kawita Daswani . Eine Inderin lernt die westliche Lebensweise schätzen, ihre Familie möchte aber, dass sie sich den Traditionen unterwirft. Das ist sehr lustig beschrieben und noch vor Kurzem hätte ich mich wohl auch totgelacht, aber wenn man Einblick in die Verhältnisse hat, bleibt einem das eine oder andere Lachen im Halse stecken.
Ansonsten habe ich mir zum Lesen schweren Stoff mitgenommen, ich dachte mir, wo soll ich den lesen, wenn nicht bei einer Kur. Doch ich vertrage momentan nur Leichtes, das betrifft auch den Geist.
Im Augenblick darf ich behandlungshalber nicht schwimmen, und schon gar nicht im Meer. Das ist im Prinzip hart, doch derzeit ist das Meer so aufgewühlt, dass Schwimmen unmöglich ist. Das erspart mir einen Konflikt, aber für die Fischer ist die Lage schlimm. Die sind sowieso übel dran, gehören sie doch in dieser offiziell kastenlosen, modernen indischen Gesellschaft in die niedrigste Kaste, zu denen, mit denen niemand aus den anderen Kasten redet und die auch niemanden ansprechen dürfen. Sie sind unabhängig von ihren Fähigkeiten dazu verdonnert, drittklassige Berufe auszuüben. Und deren Kinder auch, selbst wenn sie in der Schule Überflieger sind. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist die negative Seite einer ansonsten toleranten Religion mit so vielen Göttern, dass praktisch jeder, egal was er tut, ein gottgefälliges Leben führen kann. Wenn man einem armen Menschen hilft, sammelt man Karmapunkte fürs nächste Leben. Das ist mit der christlichen Nächstenliebe vergleichbar. Wenn man aber einen armen Menschen missachtet und ihm jegliche Unterstützung verwehrt, hilft man ihm sein eigenes Karma zu erfüllen, denn der Mensch hat sich seine Portion Leiden durch Verfehlungen in seinem Vorleben erworben. So gesehen ist es edel und gut, Menschen schlecht zu behandeln. Das ist für unsereins gewöhnungsbedürftig. Egal, ob man sich gut oder schlecht benimmt, es wird sich immer ein Gott finden, der das honoriert.
Deepa ist Christin und will wissen, ob ich in die Kirche gehe. Mein Nein bestürzt sie, aber Europäer wirken auf Inder sowieso komisch. Ich hingegen will wissen, ob ihr Mann auch Christ ist.
„Aber natürlich!“
„Wieso, Hindus oder Moslems sind doch auch Menschen …“
„Oh nein!“ Vermischung der Religionen gibt es nicht! Die Ehen werden nach wie von den Eltern arrangiert und diese achten auf so was. Ich frage sie, wie sie ihren Mann kennengelernt hat. Sie hat ihn sich selbst ausgesucht, ihre Eltern haben nur geprüft, ob er als Ehemann infrage kommt.
Ihr Mann arbeitet ebenfalls im Hotel als Masseur. Ich frage sie, ob sie ihn bei der Ausbildung kennengelernt hat. Nein. Ihr Mann war früher im Metall verarbeitenden Gewerbe, schrecklicher Beruf, viel Lärm und ständig Hautkrankheiten. Das volle Gehalt gab es nur bei totaler Auslastung. Sie hingegen hat ein gutes Gehalt, das unabhängig davon gezahlt wird, ob es viel zu tun gibt. Außerdem hat sie einen Monat bezahlten Urlaub. Da hat ihr Mann eben den Beruf gewechselt. Beide verdienen gleich viel, was in der hiesigen Gesellschaft wirklich die Ausnahme sein dürfte.
Obwohl die Keraliten sehr gebildet sind (alle können lesen und schreiben) und auch ein gewisses politisches Bewusstsein
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