Byrne & Balzano 1: Crucifix
Rätsel zu lösen.
Der Mann war von kräftiger Statur, hatte breite Schultern und große Hände, die versprachen, mit denen abzurechnen, denen er begegnete. Sein Haar war blond gefärbt, seine Augen kalt und grün. Es waren Augen, die im Kerzenschein bläulich schimmerten, Augen, die mit einem einzigen Blick alles am Horizont erfassten und denen nichts entging.
Über dem rechten Auge war eine Narbe, eine Kerbe zerstörten Gewebes in der Form eines V . Er trug einen langen, schwarzen Ledermantel, der sich über seinen kräftigen Rückenmuskeln spannte.
Er kam nun zum fünften Mal hintereinander nachts in den Club, und in dieser Nacht würde er seinem Käufer begegnen. Im Paradise konnte man nicht so einfach Verabredungen treffen. Freundschaften waren hier unbekannt.
Der Händler setzte sich im hinteren Teil des dunklen Raumes an einen Tisch. Der Tisch war nicht für ihn reserviert, gehörte ihm nun aber gewissermaßen, da sich niemand mehr dort hinzusetzen wagte. Obwohl es im Paradise von Spielern jeden Schlages wimmelte, gab es keinen Zweifel, dass der Händler aus einem anderen Holz geschnitzt war.
Die Lautsprecher hinter der Bar boten Mingus, Miles und Monk an. Die Decke: schmutzige chinesische Laternen und Ventilatoren, die mit einer holzgemaserten Folie beklebt waren. Die brennenden Blaubeerräucherkegel vertrieben den Zigarettenrauch und erfüllten die Luft mit einer schweren, fruchtigen Süße.
Um drei Uhr zehn betraten zwei Männer den Club. Der eine war der Käufer, der andere sein Beschützer. Die beiden wechselten einen Blick mit dem Händler. Und waren im Bilde.
Der Käufer, ein Mann namens Gideon Pratt, war Ende fünfzig und untersetzt, mit schütterem Haar, rastlosen grauen Augen und geröteten Wangen, die wie geschmolzenes Wachs herunterhingen. Er trug einen schlecht sitzenden Anzug mit Weste. Seine knorrigen Finger offenbarten, dass er seit langer Zeit an Arthritis litt. Sein Atem stank, seine Zähne waren gelb, sein Gebiss lückenhaft.
Ihm folgte ein kräftigerer Mann – kräftiger sogar als der Händler. Er trug eine getönte Sonnenbrille und einen Jeansmantel. Sein Gesicht und sein Hals waren mit einem kunstvollen Netz von ta moko verziert, den Stammes-Tattoos der Maori.
Die beiden Männer traten zu dem Händler an den Tisch. Dann gingen sie zu dritt, ohne ein Wort zu wechseln, über einen kurzen Flur in einen Abstellraum.
Das Hinterzimmer des Paradise war heiß und mit altem Krempel voll gestopft. Die Besitzer hatten dort Kisten mit billigem Schnaps, zwei zerkratzte Metallschreibtische und ein vermodertes Sofa abgestellt. Eine alte Jukebox strahlte neonblaues Licht aus.
Nachdem sie den Raum betreten und die Tür geschlossen hatten, tastete der kräftige Mann, der den Spitznamen Diablo trug, den Händler grob nach Waffen und Abhörgeräten ab. Der Händler starrte auf das aus drei Wörtern bestehende Tattoo auf Diablos Halsansatz: Bastard fürs Leben . Er sah auch den Griff des Smith-&-Wesson-Revolvers an Diablos Taille.
Als Diablo sich überzeugt hatte, dass der Händler unbewaffnet und nicht verkabelt war, stellte er sich hinter Pratt, verschränkte die Arme und beobachtete das Geschehen.
»Was haben Sie für mich?«, fragte Pratt.
Der Händler musterte den Mann, ehe er ihm antwortete. Jetzt war der kritische Augenblick jeder Transaktion gekommen, der Moment, da der Lieferant Farbe bekennen und seine Ware auf den Tisch legen musste. Der Händler griff langsam in die Taschen seines Ledermantels – abrupte Bewegungen konnten hier tödlich enden – und zog zwei Polaroid-Fotos heraus. Er reichte sie Gideon Pratt.
Auf beiden Fotos waren vollständig bekleidete, junge schwarze Mädchen abgelichtet. Die Posen legten nahe, dass sie die Lust der Männer erregen wollten. Das erste Mädchen namens Tanya saß auf der Veranda eines Reihenhauses und warf dem Fotografen einen Handkuss zu. Auf dem zweiten Foto rekelte sich Tanyas Schwester Alicia verführerisch am Strand von Wildwood.
Als Pratt die Fotos eingehend betrachtete, schoss ihm für einen Moment die Röte in die Wangen. Ihm stockte der Atem. »Einfach … toll«, sagte er.
Diablo spähte auf die Fotos, ohne dabei eine Reaktion zu zeigen. Er wandte den Blick wieder dem Händler zu.
»Wie heißt sie?«, fragte Pratt und hielt eines der Fotos hoch.
»Tanya«, antwortete der Händler.
»Tan-ya«, wiederholte Pratt, wobei er jede Silbe betonte, als wollte er das Wesen des Mädchens erkunden. Er reichte dem Händler eins der Bilder
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