Byrne & Balzano 3: Lunatic
wie er nicht gerade zu den flexibelsten in der Stadt gehören. Im Vergleich zu denen sind wir ein Ausbund an Freundlichkeit.«
Nun lagen die Karten auf dem Tisch. Hornstrom schien abzuwägen. »Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen möchten.«
Jessica hielt das Foto des Wagens hoch, der den Parkplatz in Manayunk verließ. »Das ist Ihr Wagen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Sie sind an dem Morgen gegen 7.07 Uhr auf den Parkplatz gefahren?«
»Ja.«
»Sie haben Kristina Jakos’ Leichnam entdeckt und sind wieder weggefahren?«
»Ja.«
»Warum haben Sie die Polizei nicht angerufen?«
»Das ... das Risiko konnte ich nicht eingehen.«
»Welches Risiko? Wie habe ich das zu verstehen?«
Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe Hornstrom antwortete. »Wir haben eine Reihe wichtiger Kunden, verstehen Sie? Der Markt ist momentan sehr unbeständig, und die geringste Andeutung eines Skandals könnte all unsere Bemühungen zunichte machen. Ich bekam Panik. Es ... es tut mir leid.«
»Haben Sie den Notruf verständigt?«
»Ja.«
»Von einem alten Handy?«
»Ja. Ich hatte gerade den Provider gewechselt«, sagte er. »Aber ich habe angerufen. Sagt Ihnen das nicht etwas? Habe ich das Richtige getan?«
»Wollen Sie von mir jetzt ein Lob hören, weil Sie das getan haben, was der Anstand gebietet? Sie finden eine tote Frau am Flussufer und halten es für eine noble Geste, die Polizei zu verständigen?«
Hornstrom verbarg das Gesicht in den Händen.
»Sie haben die Polizei belogen, Mr. Hornstrom«, sagte Jessica. »Das wird Sie bis ans Ende Ihres Lebens verfolgen.«
Hornstrom schwieg.
»Waren Sie schon mal in Shawmont?«, fragte Byrne.
Hornstrom hob den Blick. »Shawmont? Ich glaub schon. Ich meine, ich bin mal durch Shawmont hindurchgefahren. Was hat das ...?«
»Waren Sie schon mal in einem Club namens Stiletto?«
Hornstrom wurde leichenblass. Bingo.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Wahrscheinlich würde er gleich kein einziges Wort mehr sagen.
»Nehmen Sie mich jetzt fest?«, fragte er.
Jessica hatte recht gehabt. Höchste Zeit, einen Gang zurückzuschalten.
»Wir sind in einer Minute wieder da«, sagte Jessica.
Die beiden Detectives gingen hinaus und schlossen die Tür. Sie betraten den kleinen Raum mit der Spiegelglasscheibe, durch die sie in den Verhörraum sehen konnten. Tony Park und Josh Bontrager hatten das Verhör beobachtet.
»Was meinst du, Tony?«, fragte Jessica.
»Ich bin nicht überzeugt«, erwiderte Park. »Ich glaube, er ist nur ein Statist in diesem Fall, jemand, der eine Leiche gefunden hat und Angst hatte, es könnte mit seiner Karriere den Bach runtergehen. Ich finde, wir sollten ihn laufen lassen. Wenn wir ihn später noch brauchen, genießen wir noch so viel Sympathie, dass er freiwillig hierherkommt.«
Park hatte recht. Keiner von ihnen hatte den Eindruck, Hornstrom könnte ein eiskalter Killer sein.
»Ich fahre zum Staatsanwalt«, sagte Byrne. »Mal sehen, ob wir Mr. Hornee1 nicht ein bisschen mehr auf die Pelle rücken können.«
Wahrscheinlich hatten sie nicht genug in der Hand, um einen Durchsuchungsbeschluss für Hornstroms Haus oder den Wagen zu erwirken, aber den Versuch war es wert. Byrne konnte sehr überzeugend argumentieren. Und David Hornstrom hatte es verdient, dass ihm Daumenschrauben angelegt wurden.
»Anschließend werde ich ein paar Frauen im Stiletto verhören«, fügte Byrne hinzu.
»Sag mir Bescheid, wenn du bei den Befragungen im Stiletto Unterstützung brauchst«, sagte Tony Park lächelnd.
»Ich glaub, ich komme schon klar«, erwiderte Byrne.
»Ich verkrieche mich ein paar Stunden mit den Büchern aus der Bibliothek«, sagte Bontrager.
»Und ich klappere die Läden ab und versuche, etwas über die Kleider herauszufinden«, sagte Jessica. »Irgendwo muss unser Täter sie ja herhaben.«
48.
E inst lebte eine junge Frau namens Anne Lisbeth. Sie war eine Schönheit mit strahlenden Augen, glänzendem Haar und makellosem Teint. Eines Tages bekam sie einen Sohn, doch er war kein hübsches Kind; daher wurde er zu anderen Leuten gegeben.
Moon weiß alles darüber.
Während die Frau eines Arbeiters das Kind großzog, lebte Anne Lisbeth im Schloss des Grafen, in Samt und Seide. Niemand durfte an sie heran. Niemand durfte mit ihr sprechen.
Moon beobachtet Anne Lisbeth von der Rückseite des Raumes. Sie ist wunderschön. Sie ist von der Vergangenheit umringt, von all dem, was vorher gelebt hat. In diesem Raum hallt das Echo vieler Geschichten wider. Es ist ein
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