C14-Crash
– eigentlich müsste man sie Irrläufer nennen – die sich immer
wieder in den Werten gleichaltriger archäologischer Proben finden. Im Fol-
genden gehen wir kurz auf die Situation in unterschiedlichen historischen
Disziplinen ein und werden dort bestätigt finden, daß damit eine Regel und
nicht etwa die Ausnahme beschrieben wird.
Die ENCYCLOPEDIA OF HUMAN EVOLUTION AND PREHISTORY bezeichnet die
C14-Methode zwar als die einzige, die direkt auf fossile menschliche Überre-
ste angewendet werden könne, stellt aber zusammenfassend fest, daß »Kno-
chen«-Daten oftmals nicht zuverlässig seien [Tattersall et al. 1988, 225; dazu auch
2. Geschichtliches – die Chronologie des Skandals
51
2.1 Trotz einer
Kapitel 8.4.1]. Die Daten an sich gleichaltriger Knochen streuen häufig ohne er-
Ablehnungsquote
kennbare Systematik um Jahrtausende. Zugleich schwanken diese aber auch
von bis zu 50% al-
ler C14-Daten blei-
mehr oder weniger systematisch innerhalb verschiedener Bereiche eines ein-
ben Historiker der
C14-Methode ver-
bunden. Es ist vor
zigen Knochens.
allem der Respekt
vor der Naturwis-
Im südlichen Teil Chinas kommt es sehr häufig vor, daß Proben mit zu-
senschaft im allge-
meinen, der die
nehmender Schichttiefe ein jüngeres C14-Alter aufweisen [Zhimin 1991, 198].
»Scheidung« ver-
hindert.
Der Grund hierfür wird in der Kontamination (= »Verunreinigung«) von Zwi-
schenschichten gesehen. Altes und aufsteigendes Grundwasser mit C14-frei-
em Kalziumkarbonat (CaCO3) ließ oben liegende Schichten weit über das Al-
ter der darunter liegenden Schichten hinaus vergreisen – so die Erklärung.
Die Datierung von Muscheln sei sogar landesweit abzulehnen, da diese all-
zuoft in C14-verarmten Gewässern entstanden seien. Im Zusammenhang mit
der Absolutchronologie der legendären Geschichte Chinas kritisiert A. Zhi-
min die Unsitte, nur jene C14-Daten zu verwenden, die die favorisierte Versi-
on unterstützen [1991].
Das Problem der Inversion des C14-Alters kennt die Archäologie auch
aus anderen Zusammenhängen, in denen von Kontamination aber nicht ausge-
gangen werden kann. Für bronzezeitliche Hausbauten im bosnischen Feudvar
mußte für eine stratigraphisch als eindeutig jünger einzustufende Schicht ein
um ca. 100 Jahre älteres C14-Datum hingenommen werden. Angesichts auch
hier erkannter enormer Streuungen bei nahezu gleichaltrigen Funden – über
500 Jahre Streuung für Funde, die nicht mehr als 30 Jahre auseinander liegen
sollten –, können solche Inversionen nicht mehr als Besonderheit bezeichnet
werden (zusammenfassend Heske [1994]). Während ursprünglich eine ent-
scheidende Unterstützung von der C14-Methode für die Feindatierung der
Funde in Feudvar erwartet worden war, beschränkten sich die Forscher am
Ende auf die Empfehlung, es bei einer Hilfe zur Grunddatierung zu belassen
– eine verkappte Bankrotterklärung.
Wo schon mehrere Forschergenerationen die Grunddatierungen nicht
mehr angerührt haben und der Fokus auf Details gerichtet ist, wie etwa in der
Chronologie Altägyptens, mag man der C14-Methode im allgemeinen gar
keinen Wert beimessen. Bereits 1970 hatte I.E.S. Edwards während eines
Symposiums über den »Einfluß der Naturwissenschaft auf die Archäologie«
recht süffisant fragen können, ob es im Falle der Ägyptologie nicht angemes-
sener sei, die umgekehrte Richtung zu diskutieren? Schließlich könne die
Ägyptologie auf das Jahrzehnt genau datieren und damit auch der C14-Chro-
nologie jene Sicherheit verschaffen, von der diese offenbar noch weit entfernt
sei [Edwards 1970, 15] (Zur Kritik der Altägyptischen Chronologie siehe
Heinsohn/Illig [31999, 20]).
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C14-Crash
Die seinerzeit angeschlagene Reputation der C14-Methode schien sich
bald darauf durch das Angebot global anwendbarer Kalibrierkurven aufgebes-
sert zu haben. Doch für das Alte Reich Ägyptens klaffen auch nach Ein-
führung der »Hochpräzisionskalibrierung« zwischen der historischen und der
C14-Datierung im Mittel fast 400 Jahre [Haas et al. 1987]. Versuche einzelner
Historiker, ihre Kollegen von der Notwendigkeit zur Korrektur der traditio-
nellen Chronologie zu überzeugen, schlugen fehl [Mellaart 1979]. Am Ende zog
sich die Ägyptologie recht elegant aus der Affäre: Die eigenen Datierungsun-
sicherheiten seien kleiner als der Mindestfehler der C14-Methode und damit
müsse die Methode selber als nutzlos erkannt werden [Kitchen 1991,
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