C14-Crash
völlig ausge-
schlossen. Der allgemein erratische Trend resultiert teilweise aus einer systema-
tischen Abweichung zwischen den Labors.
Auf für andere Fundorte spiegeln die jeweiligen C14-Daten die Schlußfolge-
rungen der Archäologen über die kurzen Besiedlungsdauern nicht wieder. So er-
brachte beispielsweise der Fundort »Leonhard Haag« C14-Daten von 1300 -
1910 BP und der Fundort »Turpin and Sand Ridge« solche von 1140 - 1775 BP
bzw. 1135 - 1510 BP (jeweils unkalibriert). Oftmals ergeben die C14-Daten für
die einzelnen, kurzbesiedelten Plätze längere Zeiträume als der, der für die ge-
samte Periode angesetzt wird. C14-Daten können zur Chronologie dieser Be-
siedlungen nichts Konstruktives beitragen.
Nichtsdestotrotz bemühen sich einige Archäologen – wie etwa M.J. Shott für
den »single episode« Fundort »Childers« – notdürftigste Ordnung in den Meß-
wertkorpus zu bekommen und sind dabei nahe daran, sich selber um Kopf und
Kragen zu argumentieren. M.J. Shott weiß sich mit anderen Kol egen einig, wenn
er gleich zu Beginn 40% der Daten als Ausreißer interpretiert, denn ein Drittel
bis hin zur Hälfte al er gemessenen C14-Daten finde, so schreibt er, ohnehin kei-
ne Akzeptanz bei den »Kunden« der C14-Methode.
Nach dieser ersten Bereinigung sortiert er die übrig gebliebenen 12 Daten
nach den Labors und entscheidet sich für den Datensatz des Labors der Sout-
hern Methodist University, womit er eine Ausreißerrate von 75% erreicht hat.
Dieser Datensatz verweist dann nach einer – mit Mühe nur »problematisch« zu
2.1
nennenden – Mittelwertbildung und Kalibrierung auf den Zeitraum von (umge-
rechnet) 634 - 684 AD. In einer Zusammenfassung sieht Shott sich erneut genö-
tigt, selbst seine sehr rücksichtsvol begründete und durchgeführte Zurückwei-
sung der C14-Daten rechtfertigen zu müssen: Eine Zusammenschau der Daten
aus angrenzenden Gebieten sowie die statistischen Ergebnisse nötigen zur ar-
chäologischen Schlußfolgerung, daß »eine unkritische Hinnahme al er gegebenen
C14-Daten nicht weiterhelfen« könne. Zu der hier einzig richtigen Reaktion,
nämlich der grundsätzlichen Ablehnung, kann er sich nicht durchringen.
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C14-Crash
Nur eine Minderheit unter den Historikern würde heute noch der Ein-
schätzung G. Daniels folgen, daß »nichts zwischen 1939 und heute von grö-
ßerer Tragweite für die Archäologie gewesen sei als die 1949 von Libby be-
kanntgegebene Entdeckung der 14C- oder Radiokarbondatierung« [1982, 215].
Und von der C14-Methode als einem »gottgesandten Geschenk für die Ar-
chäologen« [Renfrew 1979, 53] zu sprechen, wäre mittlerweile wohl mehr als ein
kleines Wagnis. Die meisten Historiker könnten sich allerdings dem DIC-
TIONARY OF CONCEPTS IN ARCHAEOLOGY anschließen, welches die C14-Methode
als das wichtigste und gebräuchlichste Verfahren zur Absolutdatierung orga-
nischer Substanzen beschreibt – sofern andere, unabhängige Methoden mit
hinzugezogen werden [Mignon 1993, 76]. So scheint ein Kompromiß gefunden
zu sein, wie der Gast am Tische geduldet werden kann, ohne ihm allzuviele
Vorrechte einräumen zu müssen: Er kann bleiben als einer unter vielen, der
Vorsitz aber bleibt beim Hausherrn.
Die Gründe dafür, daß kaum ein Historiker der C14-Methode die Führer-
schaft oder gar Entscheidungsgewalt für die schriftlich belegten Epochen zu-
gestehen will, sind relativ einheitlich. Es sind vor allem die immer wieder
deutlich hervortretenden Diskrepanzen zwischen Datierungen, die mit eige-
nen Methoden erstellt werden, und den entsprechenden C14-Daten. Noch
schwerwiegender ist jedoch, daß die C14-Daten bereits in sich immer wieder
inkonsistent sind. So schwanken zum Beispiel die Daten für Artefakte aus ei-
ner Besiedelung von wenigen Jahrzehnten um ca. 1.400 Jahre. Dieses dra-
stische Beispiel wird in Bild 2.1 beschrieben (eine ähnliche Situation auch in Bild 7.10 ). Dieses Verrücktspielen, dieser Zufallscharakter der C14-Methode
wirkt sich nicht etwa in einer mehr oder weniger großen Streuung um ein
wahres Datum aus, sondern so, daß hin und wieder auch zutreffende Daten er-
zielt werden. Auf scheinkonsistente C14-Daten innerhalb eines an sich un-
brauchbaren Konvoluts kann man immer stoßen, solange dieses umfangreich
genug ist. Der Fehler aus der Messung des radioaktiven Zerfalls ist bedeu-
tungslos (zumal er technologisch beherrscht wird) gegenüber unbeherrschten
Schwankungen
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