C14-Crash
Ringwuchswerte dann
nach relativ geringfügigen Korrekturen erfolgreich verifizieren. Dabei half
insbesondere eine jeweils angemessene Kompensation von vermuteten Fehl-
ringen, um die dendrochronologische Signifikanz der radiometrischen Vor-
plazierung zu stärken.
Die sanft zurechtgerückten C14-Werte galten damit als kalibriert und wa-
ren nunmehr unantastbar. Zu keiner Zeit kam den Wissenschaftlern die Idee,
146
C14-Crash
daß sich die C14-Verhältnisse in der Atmosphäre über die Jahrtausende geän-
dert haben könnten, obwohl seinerzeit eindeutige Hinweise vorlagen, daß die
Atmosphäre sich nicht im C14-Gleichgewicht befunden, sondern vielmehr ei-
ne permanente Anreicherung mit C14 durchgemacht hatte. Damit wären C14-
Alter nicht tendenziell 10% zu niedrig gewesen, wie am Ende allgemein er-
kannt wurde, sondern 50% zu hoch.
Die C14-Methode konnte sich 1970 durch diesen furiosen Zirkelschluß
retten, da beide Seiten – die Dendrochronologie auf der einen und die C14-
Methode auf der anderen – gleichermaßen Nutznießer waren und wenig Inter-
esse an weitergehenden Fragen hatten. Diese blieben – von einer Ausnahme
abgesehen (Kapitel 3.5) – auch in den nächsten 15 Jahren aus, während der
deutsche und irische Dendrochronologen ihrerseits die Bristlecone-Pine-
Chronologie als Vorbild für die Formierung ihrer Eichenchronologien ver-
wendeten. Diese Neuauflage des ersten Zirkelschlusses bescherte der Ge-
schichtswissenschaft die Zementierung von langen C14-Chronologien. Viel-
leicht gereicht es ihr zum Trost, daß vor allem eine historisch orientierte Un-
tersuchung der C14-Methode diesen Zirkelschluß aufdecken konnte.
4.4 Der Sündenfall der Naturwissenschaft
Es wäre niemals soweit gekommen, wenn erkannt worden wäre, auf welche
Weise 1949 W.F. Libby das Vertrauen in die C14-Methode zu begründen
versucht hatte. Hätte seinerzeit die Geschichtswissenschaft, die als Nutznieße-
rin dieser Methode im Fokus der Aufmerksamkeit stand, ihre eigenen Maß-
stäbe bei der Beurteilung der von Libby präsentierten Ergebnisse angelegt,
dann hätte sich C14 sogleich als Totgeburt erwiesen. Was Libby als Beweis
einer Gleichförmigkeit der C14-Verhältnisse in Ort und Zeit, die für die Ein-
setzbarkeit der Methode zweifellos als unverzichtbar angesehen werden muß-
te, präsentiert hatte, war gar kein Beweis, sondern lediglich eine Art von Wil-
lenserklärung. Libby erklärte damit nämlich nur, daß er die fast hundertpro-
zentige Widerlegung seiner Hypothese als Nichtwiderlegung auffassen wolle,
aus dem einfachen Grunde, weil »fast 100%« eben nicht »ganz 100%« sind.
Die C14-Methode ist der Feuerprobe einer Ablehnung bis zum fast siche-
ren Beweis ihrer Richtigkeit niemals ausgesetzt gewesen. Im Gegenteil: Von
Anfang an galten Maßstäbe wie für eine seit langem bewährte Theorie, deren
Verfechter möglichen Einwänden in der Regel mit guten Argumenten und
auch mit Erfolg – denn darin liegt das Wesen einer »bewährten Theorie« –
entgegentreten können. In solch einem Fall dürfen die Befürworter der be-
währten Theorie mit gutem Recht höchste Sicherheit für den Fall verlangen,
4. Autopsie – Todesursachen einer Methode
147
daß sie diese bewährte Theorie tatsächlich zugunsten einer anderen Theorie
4.3 Der erste Zir-
kelschluß zwi-
aufgeben sollten. Man muß nicht K.R. Poppers Regeln zum richtigen Um-
schen C14-Metho-
de und Dendro-
gang mit einer wissenschaftlichen Theorie im Kopf haben, um erkennen zu
chronologie wurde
zu einer Zeit voll-
zogen, als noch
können, daß bei der Verifizierung der C14-Methode regelrecht geschummelt
keinerlei Zweifel
an der grundlegen-
wurde. Die Idee der C14-Methode war einfach zu schön, als daß sie falsch
den Stabilität der
natürlichen Rand-
sein konnte!
bedingungen be-
standen. Dieser
Auch die Historiker haben sich der Illusion hingegeben, daß Libby seine
Vorgang wurde nie
aufgedeckt und so
Theorie bewiesen hatte. Ihre ablehnende Haltung wäre allerdings program-
verläßt sich bis auf
heute alle Welt auf
miert gewesen, wenn er den Fakten entsprechend zugegeben hätte, daß er le-
die einst erzielten
Ergebnisse, die
diglich vom Standpunkt des Verfechters einer bereits seit langem bewährten
damit gleichsam
Weltkultur gewor-
Theorie ins Feld führen konnte, daß er eine Widerlegung zu rund 95% als
den sind.
nicht ausreichend betrachten könne und deswegen an seiner eleganten
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