C14-Crash
Baumringchronologien. Wenn sich jetzt herausstel-
len sollte, daß die Dendrochronologie ihrerseits auf die C14-Methode ange-
wiesen gewesen ist, um ihre Sequenzen ausreichend sicher vordatieren zu
können, dann hatte die Dendrochronologie in unseren Augen ihren Status als
unabhängige Wissenschaft verloren.
Wenn Dendrochronologen glaubten, daß C14-Muster global vergleichbar
waren, dann benutzten sie dieses Hilfsmittel natürlich auch – zumal in der
prekären Situation schleppenden Fortschritts im Ausbau der Chronologien –,
womit die Baumringchronologien allerdings »radiokarbonverseucht« waren
(Beispiel in Bild 5.7 ). Jeder Hinweis, daß die C14-Muster imaginär waren,
unterminierte dann nicht nur die Grundlagen der C14-Methode, sondern zielte
zugleich direkt auf die Brauchbarkeit der Baumringchronologien, für deren
Synchronlagen es keine Fehlertoleranz geben kann, sondern grundsätzlich nur
ein »richtig« oder »falsch«.
5. Tagebuch einer Enthüllung
185
Es sei angemerkt, daß wir anfänglich nur auf Hinweise der theoretischen
5.8 Es fand jahre-
langes »wiggle-
Brauchbarkeit der C14-Muster für die Synchronisierung schwimmender
matching« statt,
ohne daß auch nur
Baumringsequenzen stießen, ehe wir das erste »Geständnis« eines Dendro-
ein außenstehen-
der Wissenschaft-
ler in der Lage ge-
chronologen, sich bei der Einordnung auf C14-Mustervergleich zu stützen,
wesen wäre, die
Bristlecone-Pine-
schwarz auf weiß zu Gesicht bekamen. Am Ende war klar, daß alle europä-
Chronologie, die
dem zugrundelag,
ischen Eichenchronologien auf diese Weise C14-»verseucht« sind. Wir nah-
überprüfen zu kön-
nen.
men zur Kenntnis, daß die Vorplazierungen über C14 später teilweise auf we-
5.9 Wie konnte
nige Jahre genau von der dendrochronologischen Nachbehandlung bestätigt
sich eine Kalibrier-
kurve angesichts
wurden. Im Zusammenhang mit der generellen Fragwürdigkeit der Datierbar-
allgegenwärtiger
Produktions- und
keit durch C14 erscheint uns das aber als Indiz für die Indifferenz der Den-
Diffusionsschwan-
kungen, die das
drochronologie, die mehrmals Fehler zugeben mußte, nachdem die kritische
fiktive stationäre
»Normalmaß« um
Stelle zuvor aber als »überzeugend« akzeptiert worden war.
ein Vielfaches
übertrafen, über
einen Zeitraum
von 12.000 Jahren
permanent durch
5.10 »fact-matching« in Sachen »wiggle-matching«
annähernd identi-
sche atmosphäri-
sche Zustände
»hindurchschlän-
In dem Moment, wo wir merkten, daß alle europäischen Eichenchronologien
geln«?
wegen eines intensiven transatlantischen Datenverkehrs »radiokarbonver-
seucht« waren, versuchten wir, die Abfolge in dem Vorgang des internationa-
len »wiggle-matching« mittels »fact-matching« besser zu verstehen. Dazu
mußten die wesentlichen Stationen der Konstruktion der Baumringchronolo-
gien in Kalifornien, Irland und Süd- sowie Westdeutschland auf einem
Zeitstrahl angeordnet werden, um zu prüfen, welche Ereignisse auf welchem
Kontinent welchen Ereignissen an den jeweils anderen Orten vorausgegangen
war. So entstand gewissermaßen eine Chronologie wissenschaftlicher
»wiggle«. In diesem Zusammenhang erfuhren wir einmal mehr, wie elementar
wichtig eine exakte, unter Umständen sogar monategenaue Chronologie ist,
wenn es um die richtige Identifizierung von Ursache und Wirkung geht.
Uns fiel sofort auf, daß jahrelanges »wiggle-matching« stattfand, ohne daß
auch nur ein außenstehender Wissenschaftler in der Lage gewesen wäre, die
Bristlecone-Pine-Chronologie, die dem Ganzen zugrundelag, prüfen zu kön-
nen. Ebenso sprang ins Auge, wie lang der Zeitraum währte, in dem das Wohl
und Wehe aller Kalibrierungen von eben dieser einen einzigen Chronologie
abhing: von 1960 – dem Datum, an dem die Nicht-Konstanz der C14-Startak-
tivität in der Vergangenheit anerkannt und das Fundamentalprinzip fallenge-
lassen wurde – bis mindestens 1984. Ganze zehn Jahre – von 1960 bis 1969 –
mußte auf die endgültige Fertigstellung dieser Chronologie gewartet werden,
und in dieser Zeit des Abwartens konnten sich die Zweifel der Historiker ge-
hörig anstauen. Nur aus dieser prekären Situation heraus ist die hastige und
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C14-Crash
5.8 Was ist mit dem Simultanitätsprinzip?
Das Bild gibt Auszüge aus Kalibrierkurven für das Ende des ersten nachchristli-
chen Jahrtausends wieder: 1) aus Daten von Stuiver und Becker [1986]; 2) aus
Daten
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