Cachalot
schneller wir all das hinter uns bringen, desto früher können wir nach Terra zurückkehren und desto besser wird es mir gefallen!«
»Ist das alles, was dir einfällt, Mädchen? Wir sind noch nicht einmal gelandet, und du kannst es schon nicht mehr erwarten, wieder zurückzukehren?«
»Mutter… bitte!« Das war eine Warnung.
»Schon gut.« Cora machte mit ihren Mannequinhänden besänftigende Bewegungen, und ihre langen Finger flatterten elegant. »Du brauchst dich ja nicht festzulegen, so lange wir nicht eine Weile dort unten waren. Du bist ja nur meine Sonderassistentin für diesen Auftrag, so wie es in der Anweisung steht. Daß du auch meine Tochter bist, hat nichts zu sagen.«
»Fein. Paßt mir ausgezeichnet.«
»Versuch nur, Augen und Ohren offenzuhalten, das ist alles.«
»Ich will es versuchen, Mutter. Das sage ich schon seit sechs Jahren. Noch ein paar Monate machen da nichts aus.«
»Gut. Mehr will ich gar nicht.« Cora wandte sich wieder der Luke zu. Der Anblick, der sich ihr bot, beruhigte sie, zog sie unwiderstehlich an und massierte gleichsam die Sorge weg, die sie um die Zukunft ihrer Tochter empfand und die Schuld.
Sie hatte Rachael zu drei Studienjahren in extraterrestrischer Meeresbiologie gedrängt. Die Zeugnisse des Mädchens waren gut, ihre Arbeit war gut – verdammt, sie war gut! Sie verfügte über alle Mittel dazu, dachte Cora. Mehr als ich, und das will, ohne mich zu brüsten, etwas besagen. Nur eines fehlt ihr, ein einziges Ingredienz, das sie davon abhält, eine brillante Laufbahn im gleichen Feld wie dem meinen anzutreten: Begeisterung.
Die hatte Cora von Silvio bekommen. Oh, Silvio… »Du mußt die Augen offenhalten, Cora«, hatte er ihr immer wieder gesagt. Das hatte sie getan. So offen, daß sie ihn an eine andere Frau verloren hatte, an eine ganze Reihe anderer Frauen. Und dann war er gestorben, als seine Begeisterung für das Leben und die Liebe sich als unfähig erwiesen hatten, ihn am Ende zu retten.
Nein, sagte sie sich entschieden. Er hat mich verloren. Nicht anders herum. Er fehlte ihr immer noch, hin und wieder wenigstens. Er war nicht brillant gewesen. Und sie nicht außergewöhnlich hübsch oder reich oder eine Zauberin der Sexualität. Begeistert war er gewesen, dachte sie, und registrierte verblüfft, daß sich bei dem Gedanken ein Kloß in ihrer Kehle gebildet hatte. Begeistert über alles. Behaglich. Oh, so behaglich war er gewesen. So wie ihre zerbeulte alte Nymph-Unterwasser-Kamera, oder die zerfledderte Elatridez Encyclopedia of Commonwealth Marine Life. Das Voodoo-Halsband, das ihre Urgroßmutter ihr zu ihrem zweiten Geburtstag geschenkt hatte – das sie immer noch um den Hals trug, auch wenn es nicht zu ihr paßte – ja, behaglich war Silvio gewesen.
Er fehlte ihr, sie vermißte ihn in ihrer Umgebung, so wie sie die Enzyklopädie vermißt hätte oder das Halsband. Wahrscheinlich gab es noch eine ganze Menge anderer Frauen, die ihn auch vermißten. Aber sie hatte sich stets Freiheit für ihre Gedanken bewahrt. Jedesmal. Bis nach Rachaels Geburt. Das Komische war nur, daß Silvio nie begriff, weshalb sie eigentlich wütend war. Er mochte jeden und alles – zu sehr. Aber dann war er gestorben. Der Schmerz war mit ihm gestorben. Jetzt litt sie nur gelegentlich an einem Schmerz ganz anderer Art.
Als das Shuttle die äußersten Ausläufer der Atmosphäre berührte, erzitterte es leicht. Unter ihr war der Höhepunkt eines Traums, die Erfüllung zwanzig Jahre harter Arbeit. Sie hatte für die verschiedenen Firmen, in deren Dienst sie gestanden hatte, gute Arbeit geleistet, und noch bessere, wenn die Regierungsbehörden ihre Erfahrung benötigt hatten. Zwanzig Jahre, in denen sie abbaufähige Salzdome ausgewählt hatte. Ein Jahr für das Buch über giftiges Meeresleben im Riviera-System. Vier Jahre harter Arbeit unter den seehundähnlichen Eingeborenen von Largesse und dann zurück zu langweiliger Regierungsforschung. Und sie hatte sich stets über die letzten Techniken auf dem laufenden gehalten, die letzten Entwicklungen und Entdeckungen. Und sich immer einen Anlaß gewünscht, der sie zum Mekka aller Meeresbiologen führen würde. Und jetzt war dieser Traum in Erfüllung gegangen. Die Ozeanwelt lag dicht unter ihr, erglänzte in perlmuttartiger Schönheit, erwartete sie mit dem Versprechen von Wundern und eines noch zu lösenden Geheimnisses. Wenn es überhaupt etwas gab, das das Genie entzünden konnte, das, wie sie wußte, im Kopf ihrer Tochter
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