Cäsar Birotteau (German Edition)
Jahren zurückerstatten können. Mache Dir also keine Sorgen hierüber, mein lieber Cäsar! Ich schicke Dir alles, was ich in dieser Welt besitze, mit dem Wunsche, daß Dir diese Summe aus Deiner hoffentlich nur augenblicklichen Geschäftsverlegenheit glücklich heraushelfe. Ich kenne Dein Zartgefühl und will daher Deinen Einwendungen zuvorkommen. Denke ja nicht daran, mir Zinsen zu zahlen! Auch brauchst Du mir das Geld in glücklichen Tagen, die Dir, wenn der liebe Gott meine tagtäglichen Bitten gnädiglich erhört, gewiß bald wieder beschieden sind, nicht zurückzuerstatten. Nach Deinem letzten Briefe, den ich vor zwei Jahren erhielt, glaubte ich, Du wärest reich, und daher habe ich über meine Ersparnisse zugunsten der Armen verfügt. Nun aber gehört alles Dir! Wenn Du diesen vorübergehenden Sturm auf Deiner Fahrt durch das Leben überstanden haben wirst, dann behalte die Summe für meine Nichte, damit sie sich einmal bei ihrer Verheiratung etwas kauft, was sie an ihren alten Onkel erinnern soll, dessen Hände sich täglich zu Gott erheben, um ihn zu bitten, er möge auf sie und all ihre Lieben die Fülle seines Segens ausschütten.
Zu guter Letzt, mein lieber Bruder, bedenke, daß ich ein armer Priester bin, der auf Gott vertraut wie die Lerchen auf dem Felde und still seine Wege wandelt im Dienste unseres göttlichen Erlösers. Ich brauche für mich nur wenig. Ängstige Dich daher nicht um mich in der Mißlichkeit, in der Du Dich befindest, und denke nur an mich als an einen, der Dich zärtlich liebt! So leb denn wohl, teurer vielgeliebter Bruder. Gott möge Dich, Deine Frau und Deine Tochter durch alle Fährnisse führen und Dich gesund und wohl erhalten! Ich wünsche Dir Mut und Geduld in Deinem schweren Leiden!
Franz Birottea«,
Priester und Vikar an der Kathedral- und Parochialkirche des Heiligen Gation von Tours.«
»Tausend Francs!« brummte Konstante wütend.
»Hebe sie auf!« erwiderte Cäsar ernst. »Mehr besitzt er nicht! Übrigens sind sie Cäsarines Eigenturn. Wir müssen unsern Unterhalt bestreiten, ohne unsern Gläubigern Kosten zu verursachen.«
»Sie werden denken, er habe dir mehr geschickt und du verheimlichst es.«
»Ich werde den Leuten diesen Brief zeigen.«
»Sie werden meinen, er sei nur zum Schein so geschrieben.«
»O du mein Gott!« rief Cäsar sterbensunglücklich aus. »Ehedem habe ich auch so schlecht gedacht von meinen Gläubigern, wenn sie in derselben elenden Lage waren, in der ich mich nun selber befinde!«
Mutter und Tochter widmeten sich schweigend ihrer Nadelarbeit. Cäsars Zustand bekümmerte sie tief. Frühmorgens um zwei Uhr öffnete Popinot leise die Tür und winkte Frau Birotteau zu, hinunterzukommen. Als ihr Onkel sie in das Kontor eintreten sah, nahm er seine Brille ab und sagte:
»Mein liebes Kind, die Sache steht nicht ganz hoffnungslos. Noch ist nicht alles verloren. Nur müssen wir deinen Mann vorläufig ausschalten. Anselm und ich, wir werden morgen Unterhandlungen anzuknüpfen versuchen. Verlaß morgen den Laden nicht und nimm alle Geschäftsbriefe an dich! Wir haben bis vier Uhr nachmittags Zeit. Ragons und ich sind als Gläubiger nicht zu fürchten. Gesetzt den Fall, die Roguin von Cäsar anvertrauten hunderttausend Francs seien den Vorbesitzern der Grundstücke wirklich gezahlt worden, so ständen sie euch heute auch nicht zur Verfügung. Die hundertundvierzigtausend Francs bei Claparon fälligen Wechsel müßtet ihr auf jeden Fall einlösen. Somit ist es nicht Roguins Bankerott, der euch ruiniert. Ich denke, daß früher oder später zur Deckung eurer Verpflichtungen vierzigtausend Francs auf euer Fabrikgrundstück aufgenommen werden können. Sechzigtausend Francs ist außerdem euer Anteil am Hause Popinot wert. Mit Mühe und Not kommen wir somit schon durch. Später können die Baustellen an der Madeleine belastet werden. Wenn euer Hauptgläubiger einwilligt, euch zu helfen, so will ich mein Vermögen nicht schonen, meine Renten verkaufen, und trocken Brot essen. Popinot wird auch tüchtig zu kämpfen haben, und was den Fortgang eures Geschäftes anbelangt: ihr seid auch vom kleinsten Ereignis abhängig. Aber das Kephalol wird zweifellos einen vorzüglichen Ertrag bringen. Wir haben uns miteinander beraten, Popinot und ich: wir wollen euch in diesem Kampfe unterstützen. Wenn wir in unsern Bemühungen Erfolg und Glück haben, will ich mir gern Entbehrungen auferlegen. Wie gesagt, es liegt alles bei Gigonnet und Claparon & Co. Popinot und ich,
Weitere Kostenlose Bücher