Cäsar Birotteau (German Edition)
einem schmeichlerischen Lächeln.
»Also zur Sache!« forderte Pillerault auf, indem er den letzten Sturm wagte. »Wie wäre es, wenn ich Popinots Wechsel als Aussteller mit unterschrieb?«
»Herr Pillerault, Sie sind mir wert wie bar Gold, aber was brauch ich Ihr Gold, wo ich nur mein Silber haben will!«
Pillerault und Popinot grüßten und gingen. Unten an der Haustür zitterten Popinots Knie immer noch.
»Ist das ein Mensch ?« fragte er.
»Man behauptet's. Anselm, vergiß diese kurze Unterhaltung nie! Das war der Mammon ohne die Maskerade der verbindlichen Form! Die unvorhergesehenen Ereignisse sind die Presse, wir sind die Weintrauben und die Bankiers die Fässer. Die Terrainspekulation ist zweifellos gut. Dieser Gigonnet will Birotteau das Fell über die Ohren ziehen, um es dann selber zu tragen. Wir haben einen letzten Versuch gemacht. Mehr läßt sich nicht tun. Einen weiteren Ausweg gibt es nicht. So sind die Geldleute! Verlaß dich niemals auf sie!«
An diesem Unglücksvormittag mußte Frau Birotteau zum erstenmal in ihrem Leben Leute abweisen, die ihr Geld holen wollten. Auch den Bankboten schickte sie ohne Geld wieder weg. Die mutige Frau war glücklich, ihrem Manne diese Schmerzen ersparen zu dürfen. Um elf Uhr kamen Pillerault und Popinot, auf die sie mit sich steigernder Angst gewartet hatte, endlich zurück. Die Entscheidung stand auf ihren Gesichtern. Der Konkurs war unvermeidlich.
»Den Schlag wird mein Mann nicht überleben!« rief die arme Frau aus.
»Ich möchte es ihm beinahe wünschen«, versetzte Pillerault ernst. »Er ist ein frommer Mensch, und so wird ihn aus dieser Krise allein sein Beichtvater, der Abbé Loraux zu retten imstande sein.«
Pillerault, Popinot und Konstanze warteten, bis einer der Kommis den Abbé geholt hatte. Dann erst legten sie Birotteau die Konkurserklärung, die Cölestin vorbereitete, zur Unterschrift vor. Das Geschäftspersonal, das den Prinzipal liebte, war in Verzweiflung.
Um vier Uhr kam der Priester, Frau Birotteau machte ihn mit dein Unglück, das über das Haus hereingebrochen war, bekannt. Der Abbé stieg die Treppe hinauf.
»Ich weiß, warum Sie kommen!« rief ihm Cäsar entgegen.
»Mein lieber Sohn, Ihre Gottergebenheit kenne ich und doch sage ich Ihnen: denken Sie allezeit an die Demütigungen und bitteren Leiden, die unser Heiland erduldet hat! Dann werden auch Sie die Demütigungen ertragen können, die Gott Ihnen sendet...«
»Mein Bruder hat mich vorbereitet!« unterbrach Birotteau die Rede des Beichtvaters und zeigte ihm den Brief, den er soeben zum zweitenmal gelesen hatte. Der Abbé fuhr fort:
»Sie haben einen guten Bruder, eine tugendhafte, sanfte Gattin, eine zärtliche Tochter, zwei echte Freunde, Ihren Onkel und den trefflichen Anselm, zwei nachsichtige Gläubiger, Ragons – alle die guten Herzen werden unaufhörlich Balsam in Ihre Wunden träufeln und Ihnen helfen, Ihr Kreuz zu tragen. Versprechen Sie mir, den festen Mut eines Märtyrers haben zu wollen und dem Unglück ins Auge zu sehen, ohne zu wanken!«
Der Abbé hustete, um Pillerault, der im Salon wartete, zu benachrichtigen.
»Ich bin völlig gefaßt!« erklärte Birotteau ruhig. »Die Schande ist da; ich werde an nichts denken, als sie wieder gutzumachen.«
Seine Stimme und seine Miene überraschten alle. Nichts war indessen natürlicher. Die Menschen ertragen leichter ein entschiedenes Unglück als das schreckliche Hangen und Bangen, das sie wieder und wieder aus der höchsten Freude in den tiefsten Schmerz stürzt.
»Zweiundzwanzig Jahre lang habe ich in einem Traume gelebt«, sagte Birotteau, »und nun erwache ich wieder, den Wanderstab in der Hand.« Er war wieder der Bauernsohn der Touraine.
Bei diesem Ausspruche schloß Pillerault seinen Verwandten in die Arme. Jetzt bemerkte Cäsar seine Frau, Popinot und Cölestin. Die Urkunde in der Hand des letzteren sagte ihm genug; aber voller Ruhe betrachtete er die fünf Menschen vor sich, die ihn alle traurig und doch so treu und freundschaftlich anblickten.
»Sofort!« sagte er, indem er dem Abbé sein Kreuz der Ehrenlegion einhändigte. »Geben Sie es mir wieder, wenn ich wieder würdig bin, es zu tragen! – Cölestin, bereiten Sie mein Entlassungsgesuch als Stadtverordneter vor! Der Herr Abbé wird so freundlich sein, es Ihnen zu diktieren. Datieren Sie es vom Vierzehnten und schicken Sie es an Herrn de la Billardière!«
Cölestin und der Abbé gingen hinunter in das Kontor. Während der Viertelstunde, die sie
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