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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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unten waren, herrschte in Cäsars Zimmer tiefes Schweigen. Als die beiden zurückkamen, unterschrieb Birotteau mit fester Hand das Entlassungsgesuch. Als ihm aber Onkel Pillerault die Konkurserklärung vorlegte, überfiel den armen Mann ein Nervenschock, den er nicht zu meistern vermochte.
    »Mein Gott, erbarme dich meiner!« rief er aus, nachdem er das ihm furchtbare Aktenstück unterzeichnet hatte.
    »Herr Birotteau!« begann in dem Moment Popinot, dessen umdüsterten Sinn ein heller Lichtstrahl durchleuchtete, »Ihre Frau Gemahlin erweist mir die Ehre, einverstanden zu sein, daß ich bei Ihnen um die Hand von Fräulein Cäsarine werben darf.«
    Allen Anwesenden traten die Tränen in die Augen. Nur Birotteaus Augen blieben trocken. Er stand auf, erfaßte Popinots Hand und sagte mit erhobener Stimme zu ihm:
    »Lieber Sohn, nie sollst du die Tochter eines Bankerotteurs heiraten!«
    Anselm sah ihn fest an und erwiderte: »Herr Birotteau, verpflichten Sie sich in Gegenwart Ihrer ganzen Familie – vorausgesetzt, daß mich Ihr Fräulein Tochter sonst zum Manne haben will –, an dem Tage in unsere Heirat einzuwilligen, an dem Sie den Bankerott wieder überwunden haben?«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. Ein jeder war angesichts der Empfindungen gerührt, die sich auf dem traurigen Gesichte des Kaufmanns spiegelten. Endlich sagte er:
    »Ja!«
    Anselm ergriff Cäsarines Hand und küßte sie.
    »Willigen Sie ein, Fräulein Cäsarine?«
    »Ja!« gab sie zur Antwort.
    »So gehöre ich endlich zur Familie und darf mich Ihren Angelegenheiten widmen!«
    Mit diesen Worten entfernte er sich rasch, um nicht eine Freude zu zeigen, die mit dem Schmerz seines künftigen Schwiegervaters zu wenig im Einklang stand. Selbstverständlich war er über den Konkurs nicht glücklich, aber die Liebe ist ein Ding ganz für sich und purer Egoismus. Auch Cäsarine empfand in ihrem Herzen eine Regung, die im Kontrast zu ihrer bitteren Traurigkeit stand.
    »So weit wären wir nun«, unterbrach Pillerault die feierliche Stimmung. »Jetzt wollen wir die Angelegenheit ganz zu Ende bringen!«
    Frau Birotteau seufzte vor Schmerz tief auf.
    »Was gedenkst du nun anzufangen, mein lieber Neffe?«
    »Ich führe mein Geschäft weiter!« erwiderte Cäsar.
    »Dieser Meinung bin ich nicht!« versetzte Pillerault. »Liquidiere und überlaß dein Aktivvermögen deinen Gläubigern! Verschwinde dann aus Paris! Ich habe mich oft in eine der deinigen ähnliche Lage hineingedacht. Mein Gott, ein Geschäftsmann muß an alles vorher denken! Einer, der nie an das Fallissement denkt, wäre wie ein Feldherr, der niemals damit rechnete, geschlagen zu werden. Er wäre gar kein rechter Geschäftsmann! – Ich würde an deiner Stelle das Geschäft nicht fortsetzen. Ich könnte die mißtrauischen Blicke, die stummen Vorwürfe derer nicht ertragen, die ich geschädigt habe. Lieber weit fort! Gewiß: viele Leute beginnen ihr Geschäft von neuem, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Wohl ihnen! Sie sind kräftigere Naturen als Joseph Pillerault! Hast du bares Geld in deinem neuen Geschäft – und das mußt du haben! – so heißt es, du hättest dir Geldquellen gesichert! Fängst du ohne Geld wieder an, so kannst du nie wieder aufs Trockene kommen! Ich danke schön! Gib also hin, was du hast! Mag dein Geschäft kaufen, wer es will, und du ergreifst etwas Neues!«
    »Aber was ?«
    »Na, kümmere dich um eine Anstellung! Hast du nicht Protektionen? Den Herzog und die Herzogin von Lenoncourt, Frau von Mortsauf, Frau von Vandenesse? Schreibe an sie, such sie auf! Sie werden dich bei Hofe schon irgendwie mit etlichen tausend Talern Gehalt unterbringen. Deine Frau könnte ebensoviel verdienen, desgleichen deine Tochter! Cäsar, deine Lage ist gar nicht so hoffnungslos. Ihr drei bringt jährlich an die zehntausend Francs zusammen. Na, und dann bin ich ja auch noch da! Es wird sich schon machen!«
    Dieser kluge Vorschlag regte Konstanze zum Nachdenken an; ihren Mann nicht, Pillerault begab sich nach der Börse.
    Die bereits ruchbar gewordenen Zahlungsstockungen des bekannten und bisher vielbeneideten Parfümfabrikanten erregten allgemeines Aufsehen unter der besseren Kaufmannschaft, die damals konservativ gesinnt war. Den liberalen Geschäftsleuten aber war Birotteau ein Dorn im Auge. Die Oppositionellen meinten, die Beliebtheit im Lande für sich gepachtet zu haben; sie gestatteten den Royalisten wohl, königstreu zu sein, aber die wahre Vaterlandsliebe war nach ihrer Ansicht ein

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