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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gerade in dem Moment, als Birotteau zum Schrecken der Anwesenden den Ausruf »Der Undankbare!« tat.
    »Mein teurer hochverehrter Gönner!« rief er aus, indem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Hier ist das Gewünschte!« Er reichte Cäsar die Wechsel. »Ich habe meinen Geschäftsstand genau geprüft. Haben Sie keine Befürchtungen! Ich werde die Wechsel einlösen. Retten Sie Ihre Ehre!«
    »Ach, ich war seiner gewiß!« rief Cäsarine aus, indem sie Popinots Hand ergriff und leidenschaftlich drückte.
    Frau Birotteau fiel Popinot um den Hals. Cäsar richtete sich auf wie ein Gerechter beim Schalle der Posaunen des Jüngsten Gerichts. Er bewegte sich, als stände er von den Toten auf. In halbwahnsinniger Hast griff er dann nach den Papieren.
    »Einen Augenblick!« sagte Onkel Pillerault. Er kam Birotteaus Bewegung zuvor und riß Popinots Wechsel an sich.
    Die vier Personen, die diese Familie ausmachten – Cäsar, Konstanze, Cäsarine und Popinot – sahen, starr ob Pilleraults Ton und Tat, wie er die Papiere zerriß und in das Feuer des Kamins warf, wo sie aufloderten, ohne daß es jemand hinderte.
    »Onkel!«
    »Onkel!«
    »Onkel!«
    »Herr Pillerault!«
    Vier Stimmen, vier Herzen ertönten in schreckdurchzittertem Einklang.
    Pillerault nahm den kleinen Popinot beim Kopfe, drückte ihn an sein Herz und küßte ihn auf die Stirn.
    »Du bist der Liebe aller wert, die ein Herz haben!« rief er aus. »Wenn du eine Tochter von mir liebtest und sie hätte eine Million und du nichts als das« – er zeigte auf die verkohlten Papiere im Kamin – »und sie liebte dich: in vierzehn Tagen solltet ihr Hochzeit feiern! Dein Kompagnon ist verrückt!« Dann wandte er sich an Birotteau: »Mein lieber Neffe! Wir wollen offen und ehrlich sein! Geschäfte macht man mit Talern, nicht mit Gefühlen! Die sind großartig, aber nutzlos! Ich war heute zwei Stunden lang auf der Börse. Du genießt nicht mehr für einen roten Heller Kredit! Alle Welt sprach von deinem Ruin, von den dir verweigerten Prolongationen, von deinen mißglückten Versuchen bei verschiedenen Bankiers, von deiner Torheit, daß du sechs Treppen hinaufgestiegen bist, um einen schwatzhaften Hauswirt himmelhoch um die Prolongation eines Wechsels von zwölfhundert Francs zu betteln, von deinem Balle, der nur deine mißliche Lage hätte verdecken sollen. Ja, man munkelte sogar, du hättest gar kein Depot bei Roguin gehabt. Das sei alles bloß Flunkerei gewesen, behaupten deine Feinde. Einer meiner Freunde, den ich beauftragt habe, alles das festzustellen, hat mir dasselbe berichtet. Daß dir Popinot mit Wechseln helfen wird, erwartet man allgemein. Man sagt, du habest ihn nur etabliert, um mit ihm Wechsel zu reiten. Kurz und gut, alle Verleumdungen und Klatschereien, die man einem auf der sozialen Leiter vorwärts Strebenden nur anhängen kann, laufen in der Kaufmannschaft über dich um. Du würdest mit deinen Popinotschen Wechseln umsonst von Kontor zu Kontor gelaufen sein; du hättest überall demütigende Antworten bekommen und kein Mensch hätte sie dir diskontiert. Wer hätte denn gewußt, wieviel Wechsel du in den Verkehr bringen wolltest? Man glaubt eben, Popinot wäre dein Opferschaf. Du hättest bloß auch noch nutzlos den Kredit des Hauses Popinot zugrunde gerichtet! Und weißt du, wieviel dir der kühnste Wucherer auf alle die Wechsel gegeben hätte? Zwanzigtausend! Zwanzigtausend! Hörst du? Im Geschäftsleben gibt es eben Augenblicke, wo man coram publico drei Tage zu fasten imstande sein muß. Am vierten wird man dann in die Speisekammer des Kredits eingelassen. Du hältst diese drei Fasttage nicht aus. Da liegt der Hase im Pfeffer! Mein armer Kerl, Mut! Du mußt deinen Konkurs ansagen! Hier ist Popinot und hier bin ich! Los! Sobald deine Kommis im Bette sind, machen wir uns an die Arbeit, um dir den Jammer zu ersparen!«
    »Lieber Onkel!« sagte Birotteau und faltete seine Hände.
    »Cäsar, du wirst es doch nicht zu einem gemeinen Konkurs kommen lassen wollen, bei dem es keine Aktiva mehr gibt! Dein Anteil am Hause Popinot rettet dir deine Ehre!«
    In dieser fatalen Beleuchtung erkannte Birotteau endlich die schreckliche Wahrheit in ihrer vollen Ausdehnung. Er fiel in seinen Lehnstuhl zurück, dann sank er in die Knie. Seine Gedanken verwirrten sich und wurden kindisch blöde. Konstanze glaubte, er stürbe. Sie kauerte sich nieder, um ihn aufzuheben. Aber da sie sah, daß er die Hände faltete und seine Augen gen Himmel richtete, tat sie

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