Cäsar Birotteau (German Edition)
ihm das Schuldenmachen schon besorgen!«
Die is angeheizt! sagte Gigonnet vergnügt bei sich. Nu setzt sie die ganze Gasse in Brand. Tillet wird mit mir zufrieden sein. Morgen pfeifen sich's im ganzen Viertel de Spatzen von den Dächern zu, daß der Birotteau pleite is... Eigentlich hat mir der gute Mann nichts zu Leid getan. Er dauert mich fast... Sei's drum! Er is 'n Waschlappen!
Abends um sieben Uhr erschien Frau Madou fuchsteufelswild vor Birotteaus Haus. Sie riß die Tür auf, als käme der Teufel hinter ihr her.
»Verfluchte Schweinerei!« rief sie in den Laden hinein. »Ich will mein Geld haben! Her mit dem Zaster, oder ich nehme mir für meine zweitausend Francs, was mir in die Quere kommt! Ist das schon mal dagewesen, daß ein Stadtverordneter eine arme Bürgersfrau bestiehlt, die er beschützen sollte! Wenn ich mein Geld nicht auf der Stelle kriege, gehe ich zu einem Anwalt und verklag den Herrn Stadtverordneten beim Gericht! Ins Zuchthaus muß so ein Betrüger! Ich gehe nicht eher von der Stelle, als bis ich mein Geld habe!«
Sie schickte sich an, einen der Glasschränke zu öffnen, in dem teure Parfümerien standen.
»Ich glaube, die Alte faßt zu!« meinte Cölestin leise zu einem seiner Kollegen.
Frau Madou vernahm die Worte, und die kräftigste Maulschelle, die je in einem Parfümladen ausgeteilt worden ist, brannte auf Cölestins Ohr.
»Achte die Frauen, mein Jungchen!« setzte sie hinzu. »Und mach keine Witze mit ehrlichen Leuten, die ihr beschummelt!«
Konstanze trat aus dem Hinterladen, wo auch Birotteau war. Er hatte eben eine Auseinandersetzung mit Pillerault, der gekommen war, ihn zu sich abzuholen. Der arme Cäsar wollte die Selbstdemütigung so weit treiben, sich dem Schuldgefängnis zu stellen. Frau Birotteau bat die lärmende Alte:
»Um Himmels willen, liebe Frau, machen Sie die Vorübergehenden nicht aufmerksam!«
»Gerade! Ich werde die Sache aller Welt erzählen. Die Geschichte ist zum Lachen! Ich rackere mich im Schweiße meines Angesichts ab und opfere meine sauer erworbenen Taler, damit Ihr protzige Bälle gebt! Ihr geht in Samt und Seide, und mir armem Schafe schert Ihr die Wolle ab! So wahr ich hier stehe, ich würde lieber verhungern, als auf fremder Leute Kosten schlemmen. Ich esse trocken Brot, aber es ist mein eigen! Mein Geld, Ihr Räuberbagage!«
Sie ergriff ein wertvolles Kästchen mit teuren Toilettegegenständen.
»Lassen Sie das liegen!« rief Cäsar hervortretend. »Hier ist nichts mehr mein. Alles gehört meinen Gläubigern. Ich besitze nichts mehr als meine Person, und wenn Sie die haben und ins Gefängnis bringen wollen, so gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß ich Ihren Gerichtsvollzieher und seine Helfershelfer hier erwarten werde!«
Seine Stimme und die Tränen in Cäsars Augen besänftigten den Zorn der Frau.
»Ein Notar hat mich um mein Vermögen gebracht«, fuhr Birotteau fort, »und ich bin unschuldig an dem Unglück, das ich verursache. Sie sollen mit der Zeit bezahlt werden, und wenn ich als Tagelöhner oder Lastträger in der Halle arbeiten sollte!«
»Ich glaub Ihnen schon«, versetzte Frau Madou. »Verzeihen Sie nur! Aber wie soll man nicht in Wut geraten! Dieser Gigonnet setzt mir zu, und ich habe zur Einlösung Ihres verfluchten Wechsels kein bares Geld da. Ich habe nur noch einen andern Wechsel, der noch lange nicht fällig ist...«
Pillerault zeigte sich.
»Kommen Sie morgen früh zu mir!« sagte er, »ich werde Ihnen den Wechsel bei einem Freunde zu fünf Prozent diskontieren lassen!«
»Donnerwetter, der biedere Vater Pillerault! Na, da werde ich ja schließlich nichts verlieren, nicht wahr? Also auf morgen!«
Cäsar wollte durchaus unter den Ruinen seines Geschäfts verbleiben. Er sagte, auf die Weise verständige er sich mit allen seinen Gläubigern. Ungeachtet der inständigen Bitten seiner Nichte billigte Pillerault diesen Entschluß und ließ Cäsar in sein Zimmer zurückkehren. Der schlaue alte Mann eilte indessen zum Doktor Haudry, schilderte ihm Birotteaus Lage und Zustand und erhielt das Rezept zu einem Schlaftrunk. Im Einverständnis mit Konstanze überredete er Birotteau, mit ihnen zusammen ein wenig Stachelbeerkonfitüre zu sich zu nehmen. Das hineingemischte Narkotikum schläferte ihn ein. Erst nach vierzehn Stunden erwachte er wieder, und zwar in der Wohnung von Onkel Pillerault in der Rue des Bourdonnais, wohin man ihn inzwischen geschafft hatte.
Als Konstanze die Droschke wegrollen hörte, in der Pillerault ihr den
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