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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gatten entführte, verlor sie allen Mut. Sehr häufig sind wir selber nur stark, weil wir ein noch schwächeres Wesen aufrechterhalten müssen. Die nun einsame Frau weinte um ihren Cäsar, als sei er gestorben.
    »Liebes Mütterchen«, tröstete Cäsarine die Weinende, indem sie sich ihr auf den Schoß setzte und sie liebkoste, »du hast mir gesagt, wenn ich tapfer wäre, hättest auch du die Kraft, gegen unser Unglück zu kämpfen. Weine nicht! Ich bin bereit, in einem Geschäft eine Stellung anzunehmen. Ich werde nicht mehr daran denken, was wir waren. Ich will sein, was du in deiner Jugend warst, eine Verkäuferin! Nie sollst du von mir eine Klage oder ein Bedauern hören. Ich verzage nicht. Du weißt, Anselm ...«
    »Ach, liebes Kind, er wird nie mein Schwiegersohn werden!«
    »Mütterchen!«
    Cäsarine umarmte ihre Mutter.
    »Gerade das Unglück«, sagte sie schwärmerisch, »soll uns unsere wahren Freunde zeigen!«
    Am andern Vormittag begab sich Konstanze in das Palais des Herzogs von Lenoncourt, des diensttuenden Kammerherrn des Königs, und gab einen Brief ab, in dem sie ihn um eine Audienz zu einer von ihm zu bestimmenden Stunde bat. In der Zwischenzeit machte sie dem Oberbürgermeister de la Billardière einen Besuch, schilderte ihm die Lage, in die ihr Mann durch die Flucht des Notars Roguin geraten war, und ersuchte ihn, sich beim Herzog für Birotteau verwenden zu wollen und auch für sie zu sprechen, da sie fürchte, sie vermöchte ihr Anliegen nur mangelhaft vorzubringen. Sie wolle um eine Stelle für ihren Mann bitten. Cäsar würde der ehrlichste Kassierer sein, wenn es in der Ehrlichkeit überhaupt Grade gäbe.
    Um zwei Uhr stiegen de la Billardière und Frau Birotteau die große Treppe im Palais Lenoncourt in der Rue Saint-Dominique hinauf. Wenn Ludwig XVIII. überhaupt Günstlinge hatte, dann war der Herzog ein von ihm Bevorzugter.
    Konstanze wurde huldvoll empfangen. Lenoncourt war einer der seltenen Edelleute, die das achtzehnte Jahrhundert dem neunzehnten aufgespart hatte. Frau Birotteau machte ihr Schmerz groß. Das Leid adelt die niedrigsten Menschen, wenn es nur echt ist. Und an Konstanze war es echt.
    Mitten in der Unterredung meldete man Herrn von Vandenesse. Der Herzog rief sofort: »Das ist Ihr Helfer!« Es kam darauf an, die Sache dem König vorzutragen.
    Frau Birotteau war diesem jungen Edelmanne nicht unbekannt. Er war mehreremal in ihrem Laden gewesen, um Kleinigkeiten zu kaufen. Kleinigkeiten haben oft große Dinge im Gefolge. Der Herzog setzte ihm die Lage Birotteaus auseinander. Als Vandenesse von dem Unglück vernahm, das dem Paten der Marquise von Uxelles widerfahren war, ging er sogleich mit de la Billardière zum Grafen von Fontaine. Frau Birotteau wurde gebeten zu warten, bis sie wiederkämen.
    Graf von Fontaine, wie de la Billardière aus der Vendée, erinnerte sich Birotteaus. Alle, die ihr Blut für die Sache des Königs vergossen hatten, genossen damals Vorrechte, wenn, der König es auch in Rücksicht auf die Liberalen geheimhielt. Fontaine war einer der Lieblinge und Vertrauten des Königs. Er stellte nicht nur bestimmt eine Anstellung Birotteaus in Aussicht, sondern verwandte sich in der Tat sofort für ihn beim König. Noch am Abend suchte Fontaine, aus den Tuilerien kommend, Frau Birotteau auf und teilte ihr mit, daß ihr Gatte nach dem abgeschlossenen Vergleich mit seinen Gläubigern ein Amt an der Staatsschuldenkasse mit zweitausendfünfhundert Francs Gehalt bekäme.
    Dieser glückliche Erfolg war nur der Anfang von Konstanzes Tätigkeit. Sie suchte Joseph Lebas auf, der sie gütig empfing; sie bat ihn, ihrer Tochter eine Stelle in einem angesehenen Handelshause zu verschaffen. Er versprach nichts, aber acht Tage darauf hatte Cäsarine bei freier Wohnung und Kost und tausend Talern Gehalt die Stelle als Kassiererin in einem der vornehmsten Modewarengeschäfte von Paris, das gerade eine neue Filiale im Quartier des Italiens einrichtete.
    Konstanze ging noch am gleichen Tage zu Anselm Popinot und bat ihn, die Wirtschaft und die Buchführung besorgen zu dürfen. Popinot wußte, daß sein Haus das einzige war, in dem Frau Birotteau ohne Verletzung ihres Ansehens unterkommen konnte. Er setzte ihr dreitausend Francs nebst freier Unterkunft und Kost aus, ließ seine Stube für sie herrichten und begnügte sich mit einer Kommiskammer unter dem Dache, So zog Konstanze, nachdem sie vier Wochen in einem Prunkgemach residiert hatte, in jene nach dem düstern und feuchten Hof

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