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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Personen, die seinen Kreis bildeten, dieselben Albernheiten, wiederholten ewig dieselben Gemeinplätze und sahen sich sämtlich untereinander für ausgezeichnete Leute in ihrem Fache an. Die Frauen aller dieser Männer widmeten sich ihren guten Diners und ihren Toiletten; jede von ihnen meinte wunder was gesagt zu haben, wenn sie ein Wort der Verachtung über ihren Gatten fallen ließ. Nur Frau Birotteau war so schlau, ihren Mann vor der Öffentlichkeit mit Ehrfurcht und Hochachtung zu behandeln, weil sie sich sagte, daß doch er es war, der trotz seiner geheimen Unfähigkeit das Vermögen erworben hatte, das auch ihr Ansehen verlieh. Bisweilen konnte sie freilich bei sich die Frage nicht unterdrücken, was wohl aus der Welt würde, wenn alle vermeintlich überlegenen Männer dem ihrigen glichen? Ihr Benehmen trug in einem Lande, wo die Frauen geneigt sind, ihre Männer zu mißachten und sich über sie zu mokieren, nicht wenig dazu bei, die dem Kaufmann gezollte respektvolle Achtung aufrechtzuerhalten.
    Die ersten Tage des für das kaiserliche Frankreich so verhängnisvollen Jahres 1814 brachten dem Hause Birotteau zwei Ereignisse, die in jedem andern Hausstande wenig Aufsehen gemacht hätten, aber gerade auf einfache Naturen wie Cäsar und seine Frau, die bei jedem Rückblick auf die Vergangenheit rührselig zu werden pflegten, einen tiefen Eindruck machten.
    Sie hatten einen, jungen Mann von zweiundzwanzig Jahren namens Ferdinand du Tillet als ersten Kommis angenommen. Dieser Bursche, der aus einem Parfümeriengeschäft kam, wo man ihn nicht als Kompagnon hatte haben wollen, galt für ein Genie. Er hatte sich viel Mühe gegeben, in die »Rosenkönigin« zu gelangen, deren Solidität, Betrieb und Ruf er kannte. Birotteau gab ihm in der Hoffnung, seinen Nachfolger aus ihm zu machen, tausend Francs Gehalt. Da dieser du Tillet auf das fernere Schicksal der Familie von großem Einfluß werden sollte, müssen ein paar Worte über ihn gesagt werden. Anfänglich hatte er sich bloß Ferdinand ohne einen Familiennamen genannt. Er behauptete, diese Anonymität sei zu einer Zeit, wo Napoleon die Familien ausquetschte, um Soldaten zu bekommen, unermeßlich nützlich. In Wahrheit war er das Kind einer heimlichen und unseligen Liebschaft. Über seine bürgerliche Herkunft hat man nur wenig in Erfahrung bringen können. Im Jahre 1793 kam ein armes Mädchen aus Tillet, einem Orte unweit Andelys, nachts im Garten des Vikars der Kirche zu Tillet nieder und ertränkte sich, nachdem es an die Fensterladen geklopft hatte. Der gute Priester nahm das Kind auf, gab ihm den Namen des Kalenderheiligen seines Geburtstages, ernährte es und erzog es wie sein eigenes Kind. Der Pfarrer starb im Jahre 1804, ohne daß er ein zur Fortsetzung der von ihm begonnenen Erziehung genügendes Vermögen hinterließ. Nach Paris verschlagen, führte Ferdinand das Leben eines Abenteurers und überließ es dem Zufall, ihn auf dem Schafott oder im Glück enden zu lassen. So war er eine Zeitlang Geschäftsreisender, zuletzt für eine Pariser Parfümfabrik. Als er von seiner Geschäftstour wieder nach Paris zurückkam, nachdem er halb Frankreich durchstreift und ein gutes Stück Welt kennengelernt hatte, war er fest entschlossen, nunmehr sein Glück in dieser Stadt zu machen. Im Jahre 1813 hielt er es für nötig, sich in den Besitz eines Geburtsscheines zu setzen und damit eine bürgerliche Existenz zu beginnen. Er machte ein Gesuch an den Landrat von Andelys und bat darum, ihm auf seiner Geburtsurkunde den Beinamen du Tillet zu verleihen, dieweil er durch seine Aussetzung in jenem Dorf gleichsam ein Recht habe, den Namen zu führen. Man bewilligte ihm sein Gesuch.
    Ohne Vater und Mutter, ohne andern Vormund als die Gesetze, war er niemandem auf der Welt Rechenschaft schuldig; und kraft dieses ihm von vornherein beschiedenen Einzelgängertums behandelte er die menschliche Gesellschaft als geborener Egoist ganz so, wie sie ihm stiefmütterlich gegenüberstand. Er kannte keinen andern Führer als sein Interesse, und alle Mittel zum Glücke schienen ihm gut. Mit gefährlichen Fähigkeiten ausgerüstet, vereinigte dieser Normanne mit seinem Drange emporzukommen innerlich jene rauhen Fehler, die man mit Recht oder Unrecht seinen Landsleuten vorwirft. Nur wußte er sein wahres Wesen hinter aalglatten Manieren zu verbergen, so daß man ihn für harmlos hielt, während er in Wirklichkeit der größte Schikaneur und rücksichtsloseste Prozessierer war. Während er das

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