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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihre geheimen Gründe mitzuteilen, riet sie ihm, du Tillet zu entlassen. Und in der Tat ward ihr Vorschlag zum Beschluß erhoben. Tillet wurde gekündigt. Drei Tage vor seinem Weggange machte Birotteau eines Sonnabends abends seinen Monatsabschluß und stellte fest, daß dreitausend Francs zu wenig in der Kasse waren. Seine Bestürzung war ganz außerordentlich, und zwar weniger des Geldes als des Verdachtes wegen, der auf seine drei Kommis, die Köchin und den Lehrling sowie die gelegentlich beschäftigten Arbeiter fiel. An wen sollte er sich halten? Frau Birotteau verließ nie das Kontor, der Kommis, der die Kasse führte, war ein Neffe Ragons namens Popinot, ein junger Mann von achtzehn Jahren, der auch im Hause wohnte, die Rechtlichkeit selbst. Seine mit dem in der Kasse vorhandenen Gelde nicht im Einklang stehende Buchführung bewies, daß das Defizit durch eine bare Geldentwendung aus der Kasse entstanden sein mußte. Die beiden Gatten beschlossen zu schweigen und auf jedermann im Hause genau Obacht zu geben.
    Am anderen Tage, einem Sonntag, empfingen sie ihre Freunde. Die Familien, die eine Art Clique bildeten, hielten der Reihe nach Empfangstage ab. Man arrangierte ein kleines Hasardspiel, eine sogenannte Bouillotte. Dabei brachte der Notar Roguin einen Haufen alter Louisdors auf den Tisch, die Frau Birotteau wiedererkannte, denn sie hatte sie einige Tage vorher von Frau d'Espard, einer jung verheirateten Dame, in Zahlung genommen.
    »Sie haben wohl eine Kirchenkasse geplündert?« meinte Birotteau lachend.
    Roguin erwiderte, er habe diese Goldstücke kürzlich im Hause eines Bankiers beim Hasardspiel von du Tillet gewonnen, und dieser bekräftigte die Aussage des Notars, ohne dabei verlegen zu werden. Birotteau bekam einen roten Kopf. Als sich die Gäste verabschiedet hatten, nahm er du Tillet in dem Augenblick, da dieser zu Bett gehen wollte, unter dem Vorwande, er habe mit ihm geschäftlich zu reden, mit in den Laden hinunter.
    »Tillet«, sagte der Biedermann zu ihm, »in meiner Kasse fehlen dreitausend Francs und ich konnte bisher auf niemanden Verdacht haben. Die heute zum Vorschein gekommenen alten Goldstücke sprechen indessen zu sehr gegen Sie, als daß ich mit Ihnen nicht davon reden sollte. Wir wollen uns deshalb nicht eher zur Ruhe begeben, als bis sich das Defizit aufgeklärt hat. Es kann doch nur ein Versehen vorliegen. Sie haben vielleicht auf Ihr Gehalt hin einen Vorschuß genommen!«
    Du Tillet gab wirklich zu, er habe die Goldstücke der Kasse entnommen, die Summe aber später wieder ersetzt, Birotteau nahm das Hauptbuch zur Hand. Du Tillet hatte weder den Aus- noch Eingang der Summe gebucht.
    »Ich hatte Eile; ich habe Popinot beauftragt, die Summe einzutragen«, entschuldigte er sich.
    »So, so!« versetzte Birotteau, ganz außer sich über die kalte Gleichgültigkeit seines Kommis.
    Die beiden brachten die halbe Nacht mit Nachrechnungen hin, die natürlich, wie Birotteau wohl wußte, unnütz; waren. Im Hin- und Hergehen ließ er heimlich drei Tausendfrancsscheine in die Kasse gleiten, stellte sich dann todmüde, tat so, als ob er einschliefe, und schnarchte schließlich. Du Tillet weckte ihn nach einer Weile. Triumphierend und scheinbar hocherfreut vermeldete er seinem Chef, das Versehen habe sich aufgeklärt.
    Am andern Tage warf Birotteau, indem er sich zornig stellte, Popinot und seiner Frau vor, sie hätten ihre Pflichten nachlässig erfüllt. Vierzehn Tage darauf ging Ferdinand du Tillet zu einem Geldwechsler in Dienste. Die Parfümbranche sage ihm nicht mehr zu, meinte er; er wolle sich dem Bankfach widmen. Seinem neuen Brotherrn aber gab er durch gelegentliche Bemerkungen zu verstehen, Birotteau habe ihm aus Eifersucht gekündigt.
    Einige Monate nachher besuchte du Tillet seinen alten Prinzipal und bat ihn um ein Darlehn von zwanzigtausend Francs, die er als Kaution hinterlegen müsse, um sich an einem Geschäft beteiligen zu können, das ihn auf dem Wege des Glücks vorwärts bringen solle. Als der junge Mann das Erstaunen Birotteaus ob dieser Unverschämtheit bemerkte, runzelte er die Stirn und fragte ihn, ob er ihm nicht traue. Birotteau ließ sich seine innere Empörung nicht weiter anmerken. Du Tillet könne wieder ein rechtlicher Mann geworden sein, sagte er sich. Wer weiß, ob ihn damals nicht eine Liebelei oder irgendeine peinliche Geschichte oder Unglück im Spiel zu seinem Fehltritt veranlaßt hatte. Zufällig waren zwei befreundete Kaufleute Zeugen des Auftritts. Die

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