Cäsar Birotteau (German Edition)
somit öffentliche Abweisung eines vielleicht doch rechtschaffenen jungen Mannes konnte ihn am Ende gar zu einem Verbrechen verleiten und ihn ins Unglück stürzen. Dieses Bedenken bewog den gutmütigen Birotteau, die Feder zu ergreifen. Er schrieb seinen Namen unter du Tillets Wechsel, indem er zu ihm sagte, er erzeige einem jungen Manne, der ihm nützlich gewesen, gern die kleine Gefälligkeit. Während er diese Notlüge vorbrachte, stieg ihm allerdings das Blut ins Gesicht. Du Tillet ertrug den Blick des Ehrenmannes nicht und schwor ihm wahrscheinlich in dem Moment den rastlosen Haß, den die Teufel der Finsternis gegen die Engel des Lichts hegen.
Während du Tillet in der Folgezeit auf dem hohen Seile der Geldspekulation tanzte, hielt er die Balancierstange so gut, daß er für elegant und reich galt, ehe er es in Wirklichkeit war. Nachdem er sich einmal ein Kabriolett zugelegt hatte, schaffte er es auch nicht wieder ab. Er machte sich in jenen höheren Sphären heimisch, wo sich die Vergnügungen mit den Geschäften paaren, unter den großen Halsabschneidern von damals, die aus dem Foyer der Großen Oper eine Filiale der Börse machten. Durch Frau Roguin, die er in Birotteaus Hause kennengelernt hatte, kam er alsbald mit den Finanzgrößen in Berührung. Nunmehr hatte du Tillet in der Tat einen Wohlstand erreicht, an dem nichts Erlogenes mehr war. In den besten Beziehungen zu dem Hause Nucingen, wo ihn Roguin eingeführt hatte, liierte er sich schließlich mit den Gebrüdern Keller, den damaligen Fürsten der Finanz. Niemand wußte, wo die Quelle des ungeheuren Kapitals war, das er in Umlauf brachte. Allgemein aber schrieb man sein Glück seinem guten Kopfe und seiner Rechtlichkeit zu.
Die Restauration machte aus Birotteau einen Mann, der im Wirrwarr der politischen Krisen selbstverständlich längst nicht mehr an jene beiden häuslichen Vorfälle dachte. Politisch blieb er Royalist, obgleich er seit seiner Verwundung im Grunde von seiner Königstreue völlig genug hatte; er blieb es eben anstandshalber, aber gerade weil er keine Ansprüche stellte, verschaffte ihm das Andenken an seine Aufopferung im Vendémiaire hohe Protektionen. Er wurde zum Bataillonskommandeur der Bürgergarde ernannt, obgleich er unfähig war, auch nur das geringste Kommando zu geben. Napoleon, von jeher Birotteaus Feind, strich ihn im Jahre 1815 wieder von der Liste. Während der hundert Tage war Birotteau das Opfer von allerlei Schikanen der Liberalen seines Viertels; denn 1815 begannen just die politischen Spaltungen innerhalb der bis dahin in ihren Wünschen nach Ruhe, deren die Geschäfte bedürfen, einstimmigen Kaufmannschaft. Bei der zweiten Restauration besetzte die königliche Regierung die Posten der Stadtverwaltung neu. Man wollte Birotteau zum Stadtrat ernennen; auf Veranlassung seiner Frau nahm der Parfümeur aber nur die Stelle eines Stadtverordneten an, die ihn weniger hervorhob. Diese Bescheidenheit erhöhte die Achtung, die man allgemein für ihn hegte, erheblich und erwarb ihm die Freundschaft des Oberbürgermeisters, des Herrn Flamet de la Billardière, der sich sowieso Birotteaus noch erinnerte, aus der Zeit her, da die »Rosenkönigin« noch ein Etappenort der royalistischen Umtriebe gewesen war. Herr und Frau Birotteau wurden fortan bei den Einladungen des Oberbürgermeisters nie übergangen. De la Billardière protegierte Birotteau auch weiterhin, insbesondere als es sich um die Verteilung der der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten Orden handelte. Er wies auf Birotteaus bei Saint-Roch erhaltene Wunde hin, auf seine Anhänglichkeit an die Bourbonen und auf das allgemeine Ansehen, das er genoß. Die Regierung verschleuderte damals das Kreuz der Ehrenlegion, um damit einerseits die napoleonische Tradition umzustoßen, andrerseits um zugleich auch Anhänger zu schaffen und den Bourbonen die Welt des Handels und der Industrie, der Künstler und Gelehrten zu gewinnen. So kam auch Birotteau zu dem Orden. Die Auszeichnung versetzte ihn, in Verbindung mit seinen früheren Erfolgen, geradezu in einen Größenwahn. Die Mitteilung des Oberbürgermeisters, daß er Ritter der Ehrenlegion würde, gab den Ausschlag in der Spekulationsangelegenheit, die er seiner Frau eben auseinandergesetzt hatte; sie erregte das Streben in ihm, seine Parfümerie bald aufzugeben und sich in die höheren Regionen der Pariser Bürgerschaft aufzuschwingen.
Cäsar Birotteau war damals vierzig Jahre alt. Die Arbeit im Geschäft und in der
Weitere Kostenlose Bücher