Cäsar Birotteau (German Edition)
jedweden Hintergedanken, einzig und allein um deinetwillen!«
»Ach, Herr Birotteau, Sie sind, wenn ich mir erlauben darf, Ihnen das zu sagen, ein vornehmer Geschäftsmann!«
»Unsinn, mein Junge! Ich bin nicht besser als jeder andere! Ich bin nur ehrlich, wie sich das für einen Kaufmann so gehört, na, und – nicht engherzig. Das heißt, geliebt habe ich nur meine Frau! Die Liebe ist ein famoses Vehikel... Ein glücklicher Ausdruck, nicht ? Herr von Villèle hat ihn gestern in der Kammersitzung gebraucht.«
»Die Liebe!« echote Popinot; »ach ja, die Liebe...«
»Sieh mal! Ist das da nicht der alte Roguin, der zu Fuß von der Place Louis XV. herkommt? Frühmorgens um acht! Was will denn der hier?« fragte Cäsar. Er vergaß Anselm und die Nußessenz.
Die Vermutungen seiner Frau fielen ihm wieder ein, und anstatt in den Tuileriengarten zu gehen, näherte er sich dem Notar. Anselm folgte seinem Prinzipal in einiger Entfernung, ohne sich dessen plötzliches Interesse an einem dem Anscheine nach ziemlich gleichgültigen Umstände erklären zu können. Er war viel zu glückselig über die Ermutigung, die er aus Cäsars Worten von den genagelten Stiefeln, dem einzigen Goldfuchs und dem Bonmot über die Liebe herauslas, als daß er sich Gedanken darüber gemacht hätte.
Roguin war ein großer, dicker Mann mit einer stiermäßigen Stirn und schwarzem Haar, ein Mensch, den man nicht gleich wieder vergaß. In seiner Jugend ein tüchtiger Streber, hatte er sich vom Schreiberlehrling bis zum Notar aufgeschwungen. Wer ihn genauer musterte, erkannte in seinem Gesicht die Krähenfüße, die ein vergnüglich verbrachtes Leben zu hinterlassen pflegt. Ein Mann, der sich gemeinen Ausschweifungen hingibt, hat immer in seinem Antlitz – man kann kaum anders sagen! – sumpfige Stellen. So haftete auch der Haut und den Alterslinien des Notars etwas Ordinäres, Unvornehmes an. Anstatt jenes Schimmers, der über der Haut gesundsinnlicher Männer flammt, sah man ihm die Unreinheit seines ermatteten Blutes schon äußerlich an. Es war somit nicht zu verwundern, daß Frau Roguin seit ihrer Brautnacht von einer unüberwindlichen körperlichen Antipathie gegen ihren Gatten erfaßt war. Sie hatte sich sofort wieder von ihm scheiden lassen wollen; aber Roguin, der glücklich war, eine Frau mit fünfzigtausend Francs Vermögen bekommen zu haben – ungerechnet das, was sie noch zu erwarten hatte –, ließ sie nicht los und bat sie flehentlich, bei ihm zu bleiben. Er gewährte ihr dafür völlige Freiheit und fügte sich von vornherein in alle Konsequenzen dieses Paktes. Sobald sie somit absolute Herrscherin geworden war, behandelte sie ihren Ehemann wie eine Kurtisane einen verliebten alten Gecken. Sie beutelte ihn gehörig aus. Auf die Dauer war das dem Notar doch zu kostspielig. Er machte es wie so viele Pariser Ehemänner und mietete sich eine zweite kleine Wohnung. Da er sich zunächst in weisen Grenzen hielt, war das nicht besonders teuer. Er hielt kleine Grisetten aus, die sich unter seinem Schütze höchst glücklich fühlten. In den letzten drei Jahren war er jedoch einer jener grenzenlosen Leidenschaften erlegen, die Männer zwischen fünfzig und sechzig Jahren zuweilen überfallen. »Die schöne Holländerin« hielt ihn an Rosenketten, eins der schönsten Geschöpfe der damaligen Halbwelt. Ein Klient Roguins hatte sie einst aus Brügge mitgebracht, und als er 1815 aus politischen Gründen fliehen mußte, hatte er sie Roguin vermacht. Der Notar kaufte seiner Schönen ein kleines Haus an den Champs-Elysées, das er prächtig einrichten ließ. Die maßlose Verschwendungssucht und die kostspieligen Launen des Weibes verzehrten sein Vermögen. Er brachte es nicht fertig, ihr etwas abzuschlagen.
Roguins finsteres Gesicht hellte sich auf, als er seinen Klienten sah. Sein sorgenvolles Aussehen hing mit gewissen geheimnisvollen Vorgängen zusammen, denen du Tillet sein rasch erworbenes Vermögen zu danken hatte.
Du Tillet hatte bereits am ersten Sonntage, an dem er im Hause seines früheren Prinzipals Birotteau das Ehepaar Roguin kennenlernte, die wirklichen Beziehungen zwischen diesen Eheleuten richtig erkannt. Es war weniger seine Absicht gewesen, Frau Konstanze zu verführen, als sich vielmehr Cäsarines Hand als Entschädigung für eine überwundene Leidenschaft anbieten zu lassen. Der Verzicht auf diese erhoffte Ehe wurde ihm sehr erleichtert, als er in Erfahrung brachte, daß Cäsar, den er für reich gehalten, gar nicht so
Weitere Kostenlose Bücher