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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht darauf ankam, seine Ehre für seinen Brotgeber zu lassen, machte du Tillet zum Bankier, zum Chef der Firma Claparon & Co. Für den Fall, daß die von du Tillet eingefädelten Spekulationen fehlgingen – und damit rechnete er –, war es Charles Claparons Rolle, den Juden und Pharisäern ausgeliefert zu werden.
    Dem armen Teufel mit zwei Francs in der Tasche, der er, trübsinnig auf den Boulevards hinbummelnd, gewesen war, als ihn sein Freund du Tillet traf, war der bei der Sache verheißene kleine Gewinn ein gelobtes Land. Er sagte zu allem ja und amen und hing mit demütiger Ergebenheit an seinem Gönner wie ein Hund an seinem Herrn.
    Claparon übernahm also scheinbar die eine Hälfte der Terrainspekulation, während die andere auf Birotteaus Schultern gewälzt wurde. Die Wechsel, mit denen dieser seinen Anteil an dem Baustellenkauf bezahlen würde, sollten von einem Wucherer diskontiert werden, der dem du Tillet auch nur seinen Namen herzugeben brauchte. Ohne die dem Notar Roguin anvertrauten Gelder mußte Birotteau in Konkurs geraten. Bei der Versteigerung der Baustellen wollte du Tillet sie dann zur Hälfte des Wertes erstehen und sie mit den Geldern Roguins und der Konkursdividende bezahlen. Der Notar ging auf diesen Plan ein, weil er einen guten Anteil an der kostbaren Beute – dem Vermögen Birotteaus und seiner Genossen – einzuheimsen glaubte; aber der Mensch, dem er sich überlieferte, wollte sich den Löwenanteil aneignen, und das gelang ihm auch wirklich. Der geprellte Notar konnte du Tillet vor keinem Gerichtshof verklagen; er mußte noch froh sein, wenn ihm von Zeit zu Zeit in seinem Exil in einem Winkel der Schweiz ein Knochen zum Abnagen vorgeworfen wurde.
    Dieser teuflische Plan war keineswegs im Hirn eines Verfassers von Hintertreppenromanen entstanden, sondern hatte sich ganz einfach aus den Umständen ergeben. Haß ohne Rachsucht gleicht einem Samenkorn, das auf Felsen gefallen ist, aber die Rache, die du Tillet seinem früheren Prinzipal geschworen hatte, war von elementarer Fruchtbarkeit und frei von innerlichen Kämpfen zwischen Gut und Böse. Ermorden konnte du Tillet den einzigen Menschen, der um seinen Diebstahl wußte, nicht, wenigstens nicht ohne große Gefahr; aber er konnte ihn in den Schmutz treten und ihn kaufmännisch so vernichten, daß niemand auf sein Zeugnis mehr hörte. Schon lange keimte die Rache in du Tillets Herzen, ohne zur Entfaltung zu kommen. In Paris gelangt auch der Haßerfüllteste nur selten zur Tat: das Leben ist dort zu flüchtig, zu bewegt, zu reich an unvorhergesehenen Zufällen. Aber wenn diese fiebernde Rastlosigkeit auch keine Zeit zu tiefem Nachdenken läßt, so verhilft sie dem im Grunde eines energischen und listigen Herzens lauernden Gedanken gelegentlich doch zum Sprunge. Als Roguin sein Herz vor du Tillet ausschüttete, sah dieser sofort die Möglichkeit, seinen Feind vernichten zu können, und er täuschte sich hierin nicht.
    Der Notar, dem die Trennung von seiner Geliebten bevorstand, genoß gierig die letzten Tropfen des Liebestranks; jeden Tag ging er in die Champs-Elysées und kehrte erst beim Morgengrauen nach Hause zurück. Die mißtrauische Frau Birotteau hatte somit recht. Auch heute kam er von der schönen Holländerin. Ein Mann, der sich dazu hergibt, eine Rolle zu spielen, wie sie du Tillet dem Notar zugeteilt hatte, wird zum vollendeten Schauspieler; er bekommt Luchsaugen und den Scharfblick eines Sehers; er versteht es, seine Opfer zu hypnotisieren.
    Roguin hatte Birotteau von weitem schon längst bemerkt, ehe dieser ihn sah. Mit ausgestreckter Hand lief er auf ihn zu.
    »Ich habe soeben das Testament einer hohen Persönlichkeit aufgenommen, die keine acht Tage mehr zu leben hat«, erzählte Roguin mit der natürlichsten Miene von der Welt, »aber man hat mich wie einen Dorfarzt behandelt; man hat mich in einem Wagen geholt und schickt mich zu Fuß wieder nach Hause.«
    Seine Worte verscheuchten die leichte Wolke des Mißtrauens, die Birotteaus Stirn verfinstert hatte. Roguin hatte sie wohl, bemerkt und hütete sich gar sehr, zuerst von dem Kauf der Grundstücke zu sprechen... Er wollte seinem Opfer den Todesstoß geben.
    »Erst ein Testament, dann einen Ehevertrag!'« meinte Birotteau, »so ist das Leben! Ach, ehe ich's vergesse: Vater Roguin, wann wird denn die Madeleine-Geschichte perfekt?«
    »Na, wenn nicht heute«, antwortete der Notar mit diplomatischer Miene, »dann nie! Wir fürchten, die Sache kommt unter die Leute. Zwei

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