Cäsar Birotteau (German Edition)
Vertrag mit ihr abschloß. Sie hieß Sara Gobseck. Die Übereinstimmung dieses Namens mit dem eines Wucherers, von dem er hatte sprechen hören, machte du Tillet stutzig. Er suchte den alten Wechseljuden auf, um sich angeblich bei ihm zu erkundigen, wieweit er sich für seine Verwandte verbürge. Der hartherzige Geldmann wollte von seiner »Großnichte« nichts wissen, aber du Tillet, der sich für ihren Bankier ausgab, gefiel ihm. Die beiden paßten wunderbar zueinander und Gobseck bedurfte gerade eines geschickten jungen Mannes, den er zur Erledigung eines Geschäfts in das Ausland senden wollte.
Ein hoher Beamter war bei der Rückkehr der Bourbonen auf den Einfall gekommen, die Titel der von den Bourbonen während ihres Exils in Deutschland gemachten Schulden aufzukaufen, um sich durch diesen Dienst beim Könige einzuschmeicheln. Den pekuniären Gewinn bei der Sache, die für ihn nur ein Mittel war, Karriere zu machen, wollte er dem überlassen, der ihm die nötigen Gelder zur Ausführung seines Planes zur Verfügung stellte. Gobseck, der das Geschäft zu machen sich angeboten hatte, wollte das Geld aber nicht eher auszahlen, als bis er die Schuldtitel durch einen zuverlässigen Bevollmächtigten geprüft hatte. Wucherer sind mißtrauisch; sie gehen gern sicher, obgleich die Gelegenheit ihre Domäne ist. Du Tillet kannte die ungeheure Bedeutung, die in Paris die großen Wucherer spielen, die Werbrust, Gigonnet, Palma und wie sie alle hießen, die alle in Beziehungen zu Gobseck standen. Er stellte eine bare Kaution und machte sich einen gewissen Gewinnanteil zur Bedingung. Während der hundert Tage weilte er in Deutschland und kam zur zweiten Restauration zurück. Diese Reise mehrte weniger seine Glücksgüter als die Grundlagen zu seinem künftigen Glück. Er wurde der Freund des Mannes, dessen Bevollmächtigter er gewesen war. Nunmehr drang er in die verzwicktesten Geheimnisse der Pariser Börsenspieler und Geldgeber ein, denn der gerissene Gobseck spielte vor ihm mit offenen Karten. Du Tillet war obendrein einer, der die leiseste Andeutung verstand.
Nach seiner Rückkehr war ihm Frau Roguin treu ergeben wie zuvor. Ebenso sehnsüchtig wie sie hatte ihn ihr Gatte erwartet, den die schöne Holländerin inzwischen von neuem aufs Trockene gesetzt hatte. Du Tillet nahm die schöne Sara ins Gebet, denn alle ihre angeblichen Ausgaben erreichten die Höhe der vergeudeten Summe nicht. Dabei kam er hinter ihr sorglich gehütetes Geheimnis, hinter ihre maßlose Leidenschaft für Maxim von Trailles.
Unter diesen Umständen riet der Bankier du Tillet – das war er nunmehr – dem Notar dringend, einmal an sich selber zu denken und in seine weiteren Spekulationen die reichsten seiner Klienten mitzuverwickeln. Dabei könne er sich eine ordentliche Summe in die Reserve legen für den Fall, daß ihm das Spiel an der Börse schlecht ausliefe. Nach einigem Auf und Ab, wobei lediglich für du Tillet und Frau Roguin etwas heraussprang, hörte der Notar endlich sein letztes Stündlein schlagen. Er stand vor dem völligen Ruin. Sein »bester Freund« beutete seinen Todeskampf aus, indem er die Spekulation mit den Baustellen um die Kirche Saint-Madeleine inszenierte. Er bekam dadurch die hunderttausend Francs in die Hände, die Birotteau dem Notar anvertraut hatte. Du Tillet hegte die Absicht, den Parfümhändler kaufmännisch zu vernichten.
Das Land um die Madeleine hatte damals einen sehr geringen Wert, aber man mußte notgedrungen mehr dafür zahlen, als es im Augenblick wert war, weil die Vorbesitzer die Gelegenheit wahrnahmen, etwas zu verdienen. Du Tillet nahm sich von vornherein vor, aus der Sache Nutzen zu ziehen, ohne die Verluste einer mit der fernen Zukunft rechnenden Spekulation mitzutragen. Mit andern Worten: sein Plan bestand darin, das Geschäft zu ersticken, den Kadaver an sich zu bringen und neues Leben aus den Ruinen erstehen zu lassen. In solchen Fällen pflegten sich Leute wie Gobseck, Palma, Werbrust und Gigonnet einander die Hände zu reichen. Aber du Tillet war noch nicht intim genug bekannt mit ihnen, als daß er ihren Beistand erbitten konnte. Übrigens wollte er bei der Sache selber so wenig wie nur möglich aus dem Hinterhalt treten. Er sah sich somit gezwungen, sich einen sogenannten Strohmann zu verschaffen. Er fand ihn in einem ehemaligen Commis voyageur , der keinen roten Heller und keine andere Fähigkeit besaß, als daß er sich zu allem gebrauchen ließ. Diskret war er auch. Diesen Menschen, dem es
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