Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
zeigte diese doldentragende Menschenpflanze, wie man mit Rücksicht auf ihre blaue röhrenförmige Mütze, die sie bekrönte, sagen kann, mit ihrem von einer grünlichen Hose umkleideten Stengel und ihren von Bänderschuhen umhüllten zwiebelartigen Wurzeln eine blasse, glatte Physiognomie, die nichts von Gift verriet. In diesem merkwürdigen Produkt mußte man den Leichtgläubigen par excellence erkennen, der alle Nachrichten, die die Presse mit ihrer Tinte tauft, glaubt, und der alles gesagt zu haben meint, wenn er sagt: Lesen Sie nur die Zeitung! Der Bourgeois, der ja im Grunde durchaus ein Freund der Ordnung ist, revoltiert stets innerlich gegen die herrschende Macht, gehorcht ihr aber immer; er ist als Masse schwach, aber im einzelnen grimmig, gefühllos wie ein Gerichtsvollzieher, wenn es sich um sein Recht handelt, aber seine Vögel mit frischem Samen und seine Katze mit Fischgräten fütternd; ein Mensch, der das Ausschreiben einer Mietsquittung unterbrach, um seinem Kanarienvogel etwas vorzupfeifen, mißtrauisch wie ein Gefängniswärter, steckte er Geld in irgendein schlechtes Geschäft, um den Verlust dann durch den schmutzigsten Geiz wieder einzubringen. Die Bösartigkeit dieser Bastardpflanze zeigte sich erst beim Gebrauch; ihre ekelhafte Bitterkeit verlangte danach, bei irgendeinem Geschäft, wo ihre Interessen mit denen von Menschen verknüpft waren, ins Kochen zu geraten. Wie alle Pariser hatte auch Molineux ein Herrschbedürfnis, er verlangte seinen mehr oder weniger bedeutenden Anteil am Regieren, den jeder, selbst ein Portier, über ein Schlachtopfer irgendwelcher Art auszuüben wünscht, über die Frau, das Kind, den Mieter, den Angestellten, das Pferd, den Hund oder den Affen, denen man, um sich schadlos zu halten, die Demütigungen zurückgibt, die man selbst in der höheren Sphäre, nach der man strebt, hat hinnehmen müssen. Dieser kleine langweilige Alte hatte nun weder Weib, noch Kind, noch Neffen, noch Nichte; seine Aufwartefrau behandelte er so grob, daß er kein Aschenbrödel aus ihr machen konnte, denn sie vermied jede Berührung mit ihm, wenn sie ihren Dienst verrichtete. Sein Verlangen, zu tyrannisieren, wurde hier also nicht erfüllt; um es anderweitig zu befriedigen, hatte er geduldig die gesetzlichen Bestimmungen über Mietsverträge und die Grenzmauern studiert, hatte sich in die Jurisprudenz vertieft, soweit sie sich auf den Pariser Hausbesitz bezieht, und zwar mit all den unzähligen Nebenumständen, wie Servituten, Steuern, Lasten, Kehrerlohn, Teppichaushängen am Fronleichnamsfest, Abflußrohren, Beleuchtung, Vorspringen in die Baufluchtlinie, Nachbarschaft von gesundheitsgefährdenden Fabriken. Seine Mittel, seine Tätigkeit, sein ganzes Denken lief darauf hinaus, seinen Beruf als Hausbesitzer in voller Kriegsbereitschaft zu halten; er trieb das zu seinem Vergnügen und das Vergnügen wurde zu einer fixen Idee. Er liebte es auch, seine Mitbürger gegen jede Gesetzwidrigkeit zu beschützen; aber er hatte nur selten Gelegenheit zu Beschwerden, und so hatte er sich mit seiner Leidenschaft auf seine Mieter gestürzt. Sein Mieter wurde sein Feind, sein Untergebener, sein Subjekt, sein Lehnsmann; er glaubte ein Anrecht auf seinen Respekt zu haben und hielt ihn für einen ungeschliffenen Menschen, wenn dieser ihm auf der Treppe begegnete, ohne ihn anzusprechen. Die Mietsquittungen schrieb er eigenhändig aus und übersandte sie am Zahltage um zwölf Uhr. Blieb der Mieter im Verzuge, so erhielt er zu bestimmter Stunde die Mahnung, dann erfolgte sofort die Möbelbeschlagnahme, die Verurteilung in die Kosten – der ganze Galopp der Rechtsmittel wurde mit einer Schnelligkeit in Bewegung gesetzt, wie der Scharfrichter seine »Maschine« handhabt. Molineux bewilligte weder einen andern Zahltag, noch einen Aufschub; in Mietsachen hatte er an Stelle des Herzens einen Knorpel. »Wenn Sie es nötig haben, will ich Ihnen Geld borgen,« sagte er zu einem zahlungsfähigen Manne, »aber Ihre Miete müssen Sie pünktlich bezahlen, jede Verzögerung bringt einen Zinsverlust für mich mit sich, für den uns das Gesetz nicht entschädigt.« – Nachdem er lange die phantastischen Launen der Mieter studiert hatte, die nie die gleichen waren und einander in der Weise folgten, daß der Nachfolger alles wieder anders einrichtete, hatte er sich ein bestimmtes Prinzip ausgedacht, an dem er unverbrüchlich festhielt. Er ließ grundsätzlich keine Reparaturen ausführen; die Kamine rauchten nicht, die
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