Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Ferronnerie und der Rue de la Monnaie umschlossen wird, und gewissermaßen das Eingeweide der Stadt darstellt. Hier wimmelt ein unendliches Gemisch der heterogensten Waren durcheinander, übelriechende und reizvolle, Heringe und Musseline, Seide und Honig, Butter und Tüll, vor allem eine Menge kleiner Geschäfte, von denen man in Paris so wenig eine Ahnung hat wie die meisten Menschen von dem, was in ihrer Bauchspeicheldrüse vorgeht, und deren Blutsauger damals ein gewisser Bidault, genannt Gigonnet, ein Bankier, war, der in der Rue Grenétat wohnte. Hier sind ehemalige Pferdeställe mit Öltonnen angefüllt, Remisen enthalten Myriaden von baumwollenen Strümpfen. Hier befindet sich auch der Großhandel mit Eßwaren, die dann im Detail in den Markthallen verkauft werden. Frau Madou war früher eine Seefischhändlerin gewesen, hatte sich dann vor zehn Jahren auf »getrocknete Früchte« geworfen, infolge eines Verhältnisses mit dem früheren Besitzer ihres Geschäfts, und war lange Zeit die Zielscheibe des Klatsches in den Markthallen; sie besaß eine männliche, herausfordernde Schönheit, die jetzt aber in übermäßigem Fett versunken war. Sie bewohnte das Erdgeschoß eines gelben, verfallenen Hauses, dessen sämtliche Stockwerke nur noch durch Eisenkreuze zusammengehalten wurden. Ihrem Verflossenen war es gelungen, sich die Konkurrenz von Halse zu halten und sich für seinen Handel ein Monopol zu schaffen; trotz ihrer etwas mangelhaften Erziehung vermochte seine Erbin doch, ihm an Geschäftsgewandtheit gleich zu kommen; sie ging in seinen Lagerräumen, die aus Remisen, Ställen und früheren Ateliers bestanden, aus und ein und führte einen erfolgreichen Kampf mit den Insekten. Sie hatte weder Kontor noch Kasse, noch Geschäftsbücher, denn sie konnte nicht lesen und schreiben; einen Brief beantwortete sie mit Faustschlägen, weil sie ihn für eine Beleidigung hielt. Im übrigen war sie eine gute Seele, von roter Gesichtsfarbe, mit einem Schal über der Haube; mit ihrer Trompetenstimme hatte sie sich die Achtung bei den Fuhrleuten verschafft, die ihr ihre Waren brachten und mit denen sie Zwistigkeiten mit einer Flasche weißen Krätzers erledigte. Mit den Landwirten, die ihr ihre Früchte sandten, konnte es keine Differenzen geben; die Lieferung erfolgte gegen Barzahlung und die alte Madou suchte sie im Sommer persönlich auf. Birotteau traf diese wilde Händlerin inmitten von Säcken voll Haselnüssen, Kastanien und Wallnüssen an.
»Guten Tag, liebe Frau«, sagte Birotteau etwas ungeniert.
»Deine liebe?« sagte sie. »He, mein Junge, haben wir uns schon mal nähergestanden? Haben wir vielleicht zusammen die Schweine gehütet?«
»Ich bin Parfümhändler und außerdem städtischer Beigeordneter des zweiten Pariser Bezirks; als Beamter und als Kunde darf ich wohl verlangen, daß Sie in einem andern Ton mit mir reden.«
»Ich heirate, wann es mir paßt«, erwiderte das Mannweib. »Ich habe mit dem Rathaus nischt zu schaffen und von den Beigeordneten nischt zu bitten. Meine Kundschaft hab ich gerne, aber ich rede mit ihr auf meine Art. Und wenn sie nich zufrieden ist, dann kann sie sich anderswo beschwindeln lassen.«
»Das kommt bei einem Monopol heraus!« sagte Birotteau leise.
»Popole? Der is mein Patchen, der wird was ausgefressen haben; kommen Sie etwa seinetwegen, geehrter Herr Beamter?« sagte sie, indem sich ihre Stimme mäßigte.
»Nein; ich hatte schon die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß ich als Kunde komme.«
»Schön! Und wie heißt du, mein Junge? Du bist noch nie bei mir gewesen.«
»Bei solchem Benehmen müßten Sie eigentlich Ihre Nüsse billig abgeben«, sagte Birotteau und nannte ihr seinen Namen und seine Adresse.
»Ach, Sie sind der berühmte Birotteau mit der schönen Frau. Und wieviel wollen Sie denn von diesen zuckersüßen Nüssen haben, mein Geliebtester?«
»Sechstausend Pfund.«
»Das ist alles, was ich habe«, sagte die Händlerin mit einer Stimme wie eine heisere Flöte. »Sie müssen mächtig hinterher sein, die Mädels zu verheiraten und zu parfümieren. Gott segne Sie, Sie müssen viel zu tun haben. Entschuldigen Sie schon. Sie werden ein anständiger Kunde und eingeschrieben werden ins Herz von der Frau, die ich am liebsten in der Welt habe ...«
»Welcher denn? ...«
»Nu, der lieben Frau Madou.«
»Und was sollen die Nüsse kosten?«
»Für Sie, mein Lieber, fünfundzwanzig Franken den Zentner.«
»Fünfundzwanzig Franken?« sagte Birotteau, »das macht ja
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