Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
geregelt, denn nur die Regelmäßigkeit der Lebensgewohnheiten verbürgt Gesundheit und langes Leben. Zwischen Cäsar, den Ragons, dem Abbé Loraux und ihm wurde nie über Politik gesprochen, denn die Mitglieder dieser Gesellschaft kannten einander zu genau, als daß sie unter sich Proselyten zu machen versucht hätten. Wie sein Neffe und die Ragons hatte er großes Vertrauen zu Roguin. Ein Pariser Notar war für ihn immer ein verehrungswürdiges Wesen, die lebendige Personifikation der Ehrenhaftigkeit. Bezüglich des Terraingeschäftes hatte Pillerault eine Nachprüfung angestellt, die die Sicherheit, mit der Cäsar die Bedenken seiner Frau bekämpft hatte, rechtfertigte.
Der Parfümhändler stieg die achtundsiebzig Stufen, die zu der kleinen braunen Tür der Wohnung seines Onkels führten, hinauf und dachte sich, daß der alte Herr noch recht rüstig sein müsse, wenn er das täglich machte, ohne darüber zu klagen. Er sah seinen Rock und sein Beinkleid draußen auf dem Kleiderriegel hängen; Frau Vaillant bürstete und reinigte sie, während der alte Philosoph in seinem Morgenrock aus grauem Flanell am Kaminfeuer frühstückte und im »Constitutionnel« oder im »Journal du Commerce« die Parlamentsverhandlungen las.
»Lieber Onkel,« sagte Cäsar, »das Geschäft ist abgeschlossen, die Verträge werden schon aufgesetzt. Trotzdem können Sie, wenn Sie irgendwelche Besorgnisse oder Bedenken haben, immer noch zurücktreten.«
»Warum sollte ich zurücktreten? Das Geschäft ist gut, wenn die Realisation auch lange dauern wird, wie das übrigens bei allen sicheren Geschäften der Fall ist. Meine fünfzigtausend Franken liegen auf der Bank bereit, ich habe gestern das Restkaufgeld für mein Geschäft in Höhe von fünftausend Franken erhalten. Die Ragons legen ihr ganzes Vermögen hierbei an.«
»Schön. Aber wovon leben sie?«
»Sie werden zu leben haben, beruhige dich.«
»Ich verstehe Sie, lieber Onkel«, sagte Birotteau tief bewegt und drückte dem ernsten Alten die Hand.
»Und wie wird die Sache verteilt?« fragte Pillerault ablenkend.
»Ich nehme drei Achtel, Sie und Ragon jeder ein Achtel; ich kann Ihnen den Betrag vorschießen, bis der notarielle Vertrag abgeschlossen ist.«
»Schön, mein Junge! Bist du übrigens so reich, daß du da dreihunderttausend Franken hineinstecken kannst? Ich glaube, daß du dich hierbei stark außerhalb deines Geschäftes engagierst; wird das nicht darunter leiden? Aber das ist schließlich deine Sache. Solltest du in Verlegenheit kommen – die Renten stehen jetzt auf achtzig, ich könnte zweitausend Franken von meinen Konsols verkaufen. Aber denke daran, mein Junge: wenn du dich an mich wendest, so greifst du das Vermögen deiner Tochter an.«
»Wie Sie von so edlen Dingen reden, lieber Onkel, als ob es die einfachsten Sachen wären! Sie greifen mir ans Herz.«
»Der General Foy hat mir eben noch ganz anders das Herz bewegt! Also geh und schließe ab; die Terrains können uns nicht wegfliegen und werden uns zur Hälfte gehören; und wenn man auch sechs Jahre abwarten muß, wir werden immer einigen Ertrag haben, es sind da Lagerplätze, die man vermieten kann; es ist also kein Verlust zu befürchten, es sei denn, was ja aber eine Unmöglichkeit ist, daß Roguin mit unserm Gelde davongeht ...«
»Trotzdem hat meine Frau heute Nacht zu mir gesagt, daß sie das befürchte.«
»Roguin sollte mit unserm Gelde davongehen?« sagte Pillerault lachend, »und warum das?«
»Weil er den üblen Nasengeruch hat, sagt sie, und wie alle Männer, von denen die Frauen nichts wissen wollen, wild ist hinter ...«
Pillerault hatte nur ein ungläubiges Lächeln, riß von einem Block einen kleinen Bogen ab, schrieb die Summe auf und unterzeichnete.
»Hier ist ein Scheck auf die Bank über hunderttausend Franken für Ragon und mich. Die armen Leute haben diesem üblen Kerl, deinem du Tillet, ihre fünfzehn Worschiner Minenaktien verkauft, um den Betrag voll zu machen. Es preßt einem das Herz zusammen, wenn man brave Menschen in Not sieht. Und das sind so würdige, vornehme Menschen, die Blüte der alten Bourgeoisie! Ihr Bruder, der Richter Popinot, ahnt nichts davon. Sie halten das vor ihm geheim, um ihn nicht an seiner sonstigen Wohltätigkeit zu hindern. Und das sind Leute, die, wie ich, dreißig Jahre lang gearbeitet haben.«
»Gebe Gott, daß das Comagenöl einschlägt,« rief Birotteau aus, »ich würde in doppelter Beziehung glücklich darüber sein. Adieu, lieber Onkel, ich
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