Cäsar Cascabel
Wünschen der Anbeter im Einklang stand. Wenn es sich um irgend eine neue Abgabe handelte, welche Tschu-Tschuk seinen Unterthanen auferlegen wollte, so verfehlte der Schlaukopf nie, die himmlische Zustimmung einzuholen und kein einziger seiner Unterthanen würde sich einem so hohen Befehle widersetzt haben.
Einmal in der Woche fand eine wichtigere religiöse Ceremonie statt, zu welcher die Eingeborenen sich in großem Staate begaben. Mochte die Kälte noch so groß sein, der Schneesturm noch so heftig über die Ebenen hinrasen, niemand zögerte, Tschu-Tschuk ins Vorspük zu folgen. Und weiß man, wie Männer und Frauen sich seit der Ankunft der Belle-Roulotte zu diesen Feierlichkeiten herausstaffierten? Mit dem der Familie entwendeten Flitterstaate, den sie über ihren Kleidern trugen, den verblichenen Trikots des Herrn Cascabel, den zerknitterten Röcken Cornelias, den weiten Mänteln ihrer Kinder, dem federbuschgeschmückten Helm Clou-de-Girofles! Und das Klappenhorn, in das einer von ihnen blies, bis ihm der Atem ausging, die Posaune, welcher ein anderer höchst unwahrscheinliche Töne entlockte, die Handtrommel, die große Trommel, sämtliche Instrumente des Jahrmarkts-Orchesters mußten mit ihrem betäubenden Lärm den Glanz des Festes erhöhen!
Da zeterte Herr Cascabel dann gegen diese Schurken, diese Räuber, die sich die Freiheit nahmen, seine Kostüme zu tragen, seine Instrumente zu ruinieren!
»Canaillen!.. Canaillen!« sagte er immer wieder, und selbst Herrn Sergius gelang es nicht, ihn zu beruhigen.
Indem sie sich derart in die Länge zog, begann die Situation entnervend zu wirken, die Tage und Wochen schlichen so langsam dahin! Und dann, wie würde das Ende sein, wenn es überhaupt ein Ende gab? Indessen ging die Zeit, die man nicht mehr auf Übungen verwenden konnte, – und Herr Cascabel fürchtete, daß sein Personal arg eingerostet nach Perm kommen werde, – diese Zeit ging nicht ganz nutzlos vorüber. Um der Entmutigung der Familie vorzubeugen, fesselte Herr Sergius seine Zuhörer unermüdlich mit Erzählungen und Belehrungen.
Dagegen hatte Herr Cascabel ihm mehrere Taschenspielerstückchen beigebracht – zu seinem Vergnügen, sagte er. Aber in Wahrheit konnte das Herrn Sergius nützlich werden, wenn er je die Rolle eines Gauklers spielen wollte, um die moskowitische Polizei zu täuschen. Was Jean betrifft, so war er damit beschäftigt, die Erziehung der jungen Indianerin zu vollenden. Unter der Anleitung ihres jugendlichen Lehrmeisters übte die Schülerin sich im Schreiben und Lesen. Kayette besaß einen so lebhaften Verstand und Jean war so eifrig bemüht, ihn auszubilden! War es denn vom Geschick bestimmt, daß dieser wackere Junge, der das Studieren so leidenschaftlich liebte, der so reich begabt war, nie etwas anderes als ein armer Jahrmarktsgaukler sein sollte, daß es ihm nie gelingen sollte, auf der gesellschaftlichen Stufenleiter höher emporzuklimmen? Ah, das war ein Geheimnis, welches die Zukunft lösen würde; und welche Zukunft stand dieser Familie bevor, die sich an den äußersten Grenzen der bekannten Welt in der Gewalt eines wilden Stammes befand?
In der That schienen Tschu-Tschuks Forderungen nicht mäßiger werden zu wollen. Er würde seine Gefangenen nicht ohne Lösegeld ziehen lassen und es hatte nicht den Anschein, als ob ihnen von außen Hilfe kommen könnte. Wie aber sollte man sich das von dem habgierigen Beherrscher der Liakhoff-Inseln geforderte Geld verschaffen?
Freilich besaßen die Cascabels einen Schatz – ohne es selber zu wissen. Das war der Goldklumpen, der kostbare Goldklumpen des jungen Xander – wenigstens hegte der Bursche keinen Zweifel hinsichtlich seines Wertes. Wenn ihn niemand sah, zog er das Erz aus seinem Versteck hervor, betrachtete es, rieb es, glättete es. Gewiß, er würde nicht gezögert haben, es zu opfern, um Tschu-Tschuk umzustimmen und seine Familie loszukaufen. Aber ein Stück Gold in Form eines Kiesels würde der Tuck-Tuck seines Vaters nie statt barer Münze annehmen. Dann hing auch Xander an seiner Idee, die Ankunft in Europa abwarten zu wollen. Dort würde er seinen Goldklumpen schon gegen gemünztes Gold eintauschen und damit die in Amerika geraubten Dollars vorteilhaft ersetzen können!
Xander zog das Erz aus seinem Versteck.
Ein vortrefflicher Plan, wenn man nur die Ankunft in Europa zu bewerkstelligen vermochte. Es hatte wirklich nicht den Anschein, als ob es bald dazu kommen würde. Und mit dieser Frage
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