Cäsar Cascabel
erfreute, unbenützt zu lassen. Man eilte auf den Wegen, welche die sommerlichen Regengüsse einige Monate später unfahrbar machen würden, so schnell vorwärts, wie das Gespann es gestattete, – das heißt durchschnittlich sieben bis acht Meilen pro Tag, wobei man mittags Halt machte, um zu essen und zu ruhen, und um sechs Uhr abends ein Lager für die Nacht bezog. Die Gegend war nicht, wie man glauben könnte, verlassen. Die Feldarbeit rief bereits die Ackerleute heraus, welche diesem reichen und freigebigen Boden einen Wohlstand verdanken, der in jedem andern Weltteil Neid erregen könnte. Überdies kam man häufig an Gehöften, Weilern, Dörfern, Marktflecken, ja selbst Städten vorüber, besonders als die Belle-Roulotte das linke Ufer des Sakramento hinauffuhr, durch jene Gegend, welche das eigentlichste Goldland gewesen und noch heute den bedeutsamen Namen Eldorado führt.
Dem Programme ihres Oberhauptes gemäß, gab die Familie Vorstellungen, wo immer sich Gelegenheit zur Verwertung ihrer Talente bot. Sie war in jenem Teile Kaliforniens noch nicht bekannt. Und giebt es nicht überall wackere Leute, die gern bereit sind, sich zu amüsieren? In Placerville, Aubury, Marysville, Tchama und anderen mehr oder minder wichtigen Städten, die der »ewige« amerikanische Cirkus, der sie von Zeit zu Zeit aufsucht, bereits ein wenig blasiert hat, heimsten die Cascabels ebenso viele Bravos wie Cents ein, welch letztere sich auf eine Gesamtsumme von mehreren Dutzend Dollars beliefen. Fräulein Napoleones Anmut und Kühnheit, Herrn Xanders außerordentliche Gelenkigkeit, Herrn Jeans wunderbare Fertigkeit in Taschenspielerkünsten, Clou-de-Girofles verduzte Mienen und Albernheiten wurden von allen Kennern nach Verdienst gewürdigt. So auch die beiden Hunde, die im Verein mit John Bull Wunder leisteten. Was Herrn und Frau Cascabel betrifft, so zeigten sie sich ihres Rufes wert, der eine in Kraftproben, die andere im Ringkampfe mit flachen Händen, bei welchem sie die gegen sie auftretenden Amateurs unfehlbar in den Sand warf.
Man schrieb den 12. März, als die Belle-Roulotte die kleine Stadt Shasta erreichte, welche der Berg desselben Namens mit vierzehntausend Fuß Höhe überragt. Gegen Westen zogen sich die verworrenen Massen der Coast-Ranges dahin, welche man glücklicherweise nicht zu übersteigen brauchte, um die Grenze von Oregon zu erreichen. Aber die Gegend war sehr unregelmäßig; man mußte sich zwischen den kapriziös verzweigten Ausläufern des Gebirges hindurchwinden und konnte auf den kaum zur Not gebahnten Wegen, welche man mit Hilfe der Landkarte aufsuchte, nur langsam vorwärts kommen. Überdies wäre die Reise durch das Küstenland, wo die natürlichen Hindernisse dünner gesäet waren, vorzuziehen gewesen; aber dazu hätte man die Coast-Ranges übersteigen müssen, deren Pässe absolut unzugänglich waren. Daher schien es vernünftiger, sich nordwärts zu halten und an der Grenze von Oregon die letzten Ausläufer der genannten Bergkette zu umgehen.
So lautete der von Jean, dem Geographen der Truppe, erteilte Rat, und man hielt es für das beste, denselben zu befolgen.
Nachdem sie das Fort Jones hinter sich gelassen, machte die Belle-Roulotte am 19. März bei dem Marktflecken Yrika Halt. Dort wurde der Familie ein guter Empfang zu teil, der ihr die Einkassierung einiger Dollars ermöglichte. Es war das erste Debut einer französischen Truppe in diesem Landstrich. Was wollen Sie? In jenen fernen Gegenden Amerikas liebt man die Kinder Frankreichs! Sie werden dort stets mit offenen Armen empfangen und fühlen sich gewiß wohler, als sie es bei einigen ihrer europäischen Nachbarn sein würden!
In diesem Marktflecken gelang es, Pferde um einen mäßigen Preis zu mieten, welche Vermout und Gladiator zu Hilfe kamen. So konnte die Belle-Roulotte die Bergkette an ihrem nördlichen Ende überschreiten, und zwar diesmal ohne von den Führern geplündert zu werden.
»Meiner Treu!« meinte Herr Cascabel, es waren, soviel ich weiß, keine Engländer!«
Wenn diese Reise nicht von einigen Schwierigkeiten und Verzögerungen verschont blieb, so zog man sich doch, dank den getroffenen Vorsichtsmaßregeln, ohne Unfall aus der Sache.
Endlich gelangte die Belle-Roulotte am 27. März auf das Gebiet von Oregon. Die Ebene war im Osten von Mount Pitt begrenzt, der wie die Zeigerstange einer Sonnenuhr emporragt.
Tiere und Menschen hatten schwer gearbeitet. Man mußte sich eine kurze Rast in Jacksonville gönnen. Als
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