Cäsar Cascabel
welche sich bis auf den letzten Knochen daran gütlich thaten.
Allerdings begnügen die Eingeborenen sich in Zeiten der Hungersnot auch mit Eulen, Falken und sogar mit Mardern; aber doch nur, weil sie dazu gezwungen sind.
Am vierzehnten August mußte die Belle-Roulotte sich durch die Krümmungen einer engeren Schlucht zwischen sehr abschüssigen Hügeln hindurchwinden. Dieser Paß war so steil, so holprig, dem Bette eines Sturzbaches so ähnlich, daß sich trotz aller angewandten Vorsicht ein Unfall ereignete. Zum Glücke brach nicht ein Rad, sondern nur eine der Deichselstangen. Die Reparatur nahm denn auch nicht viel Zeit in Anspruch; einige Stricke genügten, die Sache wieder in stand zu setzen.
Als man das Dorf Suquongilla auf der einen, und das am gleichnamigen Creek erbaute Dorf Newleargout auf der anderen Seite des Flusses hinter sich gelassen hatte, bot der Weg keine Schwierigkeiten mehr. Die Hügel waren zu Ende. Eine unabsehbare Ebene breitete sich vor den Reisenden aus. Die in dieser regenarmen Jahreszeit ausgetrockneten Bette von drei bis vier Rios durchfurchten sie. Zur Zeit der Winterstürme und Schneewehen wäre es nicht möglich gewesen, in dieser Richtung vorzudringen.
Indem sie einen der erwähnten Creeks, den Milocargout, überschritten, in welchem sich kaum fußhoches Wasser befand, bemerkte Herr Cascabel, daß derselbe von einem Dammwege durchschnitten sei.
»Ei!« meinte er, »wenn man einen Dammweg durch diesen Creek bauen konnte, so hätte man ebenso gut eine Brücke aufführen können. Das wäre bei Hochwasser nützlicher gewesen…«
»Ohne Zweifel, Vater,« antwortete Jean. »Aber die Ingenieure, welche diesen Weg bauten, wären nicht im stande gewesen, eine Brücke herzustellen…«
»Weshalb nicht?«
»Weil es vierfüßige Ingenieure, nämlich Biber waren.«
Jean täuschte sich nicht; man hatte allen Grund, die Arbeit dieser fleißigen Tiere zu bewundern, welche beim Bau ihrer Deiche sorgfältig der Strömung Rechnung tragen und auch deren Höhe dem gewöhnlichen Wasserstande der Creeks anzupassen wissen; ist doch sogar die Abdachung ihrer Deiche auf den wirksamsten Widerstand gegen den Anprall der Flut berechnet.
»Und doch,« rief Xander, »sind diese Biber nicht zur Schule gegangen, um zu lernen…«
»Sie bedurften keiner Schule,« antwortete Herr Sergius. »Wozu die Wissenschaft, die manchmal irre geht, wenn man einen untrüglichen Instinkt besitzt? Diesen Deich, mein Junge, haben die Biber aufgeführt wie die Ameisen ihre Haufen bauen, wie die Spinnen ihre Netze weben, wie die Bienen ihre Zellen anlegen, endlich wie die Bäume und Sträucher Blüten und Früchte hervorbringen. Sie kennen kein unsicheres Herumtappen, aber auch keinen Fortschritt. Übrigens läßt diese Art Arbeit auch keinen solchen zu. Der Biber von heutzutage baut ebenso vollkommen wie der erste Biber, der je auf dem Erdboden erschienen ist. Die Vervollkommnungsfähigkeit ist nicht Sache der Tiere; sie ist dem Menschen eigen; er allein kann auf dem Gebiete der Künste, der Wissenschaften und der Industrie von Fortschritt zu Fortschritt steigen. So können wir denn den merkwürdigen Instinkt der Tiere, welcher denselben die Schaffung solcher Werke gestattet, rückhaltlos bewundern; aber wir dürfen dieselben nur als Werke der Natur betrachten.«
»So ist’s, Herr Sergius,« sagte Jean; »ich verstehe Ihre Bemerkung wohl. Darin liegt der Unterschied zwischen Instinkt und Vernunft. Im ganzen genommen, ist die Vernunft über den Instinkt erhaben, wenngleich sie Täuschungen unterworfen ist…«
»Unstreitig, mein Freund,« antwortete Herr Sergius, »und diese Täuschungen, der Reihe nach erkannt und berichtigt, sind nur so viele Mittel zum Fortschritt.«
»Jedenfalls,« versetzte Xander, »bleibe ich bei dem, was ich gesagt habe! Die Tiere brauchen nicht zur Schule zu gehen…«
»Zugegeben; aber die Menschen sind auch nur Tiere, wenn sie nicht zur Schule gegangen sind,« antwortete Herr Sergius.
»Nun!… Nun!« sagte die stets praktische Cornelia. »Sind diese Biber eßbar?«
»Gewiß,« antwortete Kayette.
»Ich habe sogar gelesen,« fügte Jean hinzu, »daß der Schwanz jener Tiere vortrefflich ist.«
Man vermochte die Wahrheit dieser Behauptung nicht festzustellen; denn entweder gab es keine Biber in dem Creek, oder dieselben waren nicht zu fangen.
Nachdem sie das Bett des Milocargout verlassen hatte, passierte die Belle-Roulotte das mitten im Lande der Co-Youkon-Indianer gelegene Dorf
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